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Braucht der Glaube Heimat?
Strukturreform: In einer unübersichtlichen Welt wächst das Bedürfnis nach Nähe. Die Kirche muss im Dorf bleiben, fordern viele. Dabei ist sie mehr.Das Kleine wächst, wo das Große wächst. In einer Welt voller Globalisierung und Mobilität sprießt zugleich die Sehnsucht nach Verwurzelung. »Das Bedürfnis nach Heimat ist eine Gegenbewegung zur Individualisierung«, sagt der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel. Und die Proteste gegen die Strukturreform-Pläne der sächsischen Landeskirche fordern: Lasst bloß die Kirche im Dorf.
Wobei Jesus das Wort Heimat nicht kannte. Egal aber war sie ihm nicht. »Jesus liebte seine Heimat«, schrieb der Theologe Rudolf Lange in seiner »Theologie der Heimat«. »Während er über all die menschlichen Verzichte, denen er unterworfen war, kein Wort verliert, erachtet er das Opfer seiner Heimatlosigkeit einer ausdrücklichen Betonung für wert.« Anders als die Tiere hat der Menschensohn aus Nazareth keine feste Bleibe und er schien sie zu vermissen (Matthäus 8, 20). Zugleich aber verstand man Jesus am Ort seiner Herkunft nicht und bedrohte ihn gar (Lukas 4). Heimat als Sehnsucht und Enge: Jesus kannte beides.
Eignen sich Heimat und Nähe als Kriterium für kirchliche Strukturen? Die Kritiker der landeskirchlichen Pläne für größere Gemeindeverbünde in Sachsen sehen das so. Und werden dabei von wissenschaftlichen Studien unterstützt. Es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen der Verbundenheit zu einer Kirchgemeinde vor Ort und zur Kirche überhaupt, fand die jüngste Mitgliederbefragung der Evangelischen Kirche in Deutschland heraus.
»Wo ein Pfarrer oder ein aufgeschlossenes Gemeindehaus mit aktiven Gruppen vor Ort sind, gibt es eine hohe Religiosität«, fasst der Leipziger Religionssoziologie-Professor Gert Pickel die Ergebnisse zusammen. »Wenn sich diese sozialen Bindungen auflösen, löst sich auch Religiosität auf. Entscheidend ist die soziale Nähe.« Wobei dies noch nichts über die Art der Gemeindestrukturen sagen muss. Denn in der EKD-Studie ist unter den Befragten aus fusionierten Gemeinden die Verbundenheit zur Kirche sogar stärker gewachsen als geschwunden.
Heimat ist eben keine Verwaltungseinheit. Sie ist mehr. Und auch Kirche ist mehr. »Für ein Dorf kann auch ein schöner Gasthof oder ein Feuerwehrhaus Identität stiften, das muss kein Kirchturm sein«, sagt der Leisniger Superintendent Arnold Liebers. »Das Alleinstellungsmerkmal von Kirche ist doch: Dass hier das Evangelium verkündet wird. Im kleinsten Dorf kann man eine Kerze anzünden und gemeinsam beten. Alles andere sind Strukturen, die ganz unterschiedlich sein können.«
Liebers ist der oberste Pfarrer eines Kirchenbezirks, der ganz besonders mit den Problemen kleiner werdender Gemeinden in weit verstreuten Dörfern zu kämpfen hat. Und er ist ein Mann, der sich selbst als mittelsächsischen »Bauernjungen« bezeichnet und für den das Thema Heimat kostbar und existentiell ist. Und gerade er sagt: »Heimat weist auch über uns hinaus.« Hinaus über die Ortsgrenze zu den Glaubensgeschwistern in der Region. Und hinaus auf die zukünftige Heimat, in der Gott alle Tränen abzuwischen versprochen hat.
Die Welt ist in Bewegung und die Kirche in ihr. Manche meinen, beide seien aus den Fugen. Und viele suchen dabei Halt in einer Heimat. Das Volk Gottes aber ist auf Wanderung: »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir« (Hebräer 13, 14). Gott befreite Israel aus Ägypten, indem er es in Bewegung setzte. Die Sehnsucht nach einer Heimat war der Motor. Sie ist das gelobte Land. Doch der Gott der Bibel ist auch bei den Heimatlosen. Bei den Flüchtlingen damals wie heute. Bei den Flexiblen und Alleingelassenen in Dörfern, Städten und auf Landstraßen.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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