„Ein Gespenst geht um in Europa“. Mit dieser Beschwörung zünden Marx und Engels vor 170 Jahren den ideologischen Treibsatz ihres „Kommunistischen Manifests“. Seitdem sind zwar manche Gespenster erledigt worden. Aber eins geht immer noch um: Die Angst. Die Angst ist der Widergänger aller Verzagten. Wer Angst hat wird entweder übervorsichtig oder panisch. Gibt es einen Sonderweg zwischen Totstellreflex und blindem Aktionismus?
Paulus und Silas, die der Kultur des ersten nachchristlichen Jahrhunderts eine Alternative zum offiziellen Götterglauben anbieten wollten (Apostelgeschichte 16,23ff), werden dafür ins Gefängnis geworfen. Anstatt nun klein beizugeben, singen sie Loblieder und beten Psalmen. Es wird berichtet, dass davon um Mitternacht die Erde bebt und die Mauern des Gefängnisses wankten. Die Riegel der Türen sprangen auf – und man kam frei. Am Ende nimmt der Gefängniswärter sogar die Botschaft seiner beiden Zelleninsassen an, lässt sich taufen – und alles wird gut. Vielleicht ein bisschen naiv gedacht – aber gut erzählt.
Sieger singen. Wer singt, hat schon gewonnen. Nicht die alten ideologischen Choräle der Internationale und der Achtundsechziger. Sondern die heiligen Lieder neu. Wer kennt sie noch? „Christ lag in Todesbanden“, „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ und „Nun danket alle Gott“? Eine wichtige Frage ist, wer die guten Lieder aus dem öffentlichen Gedächtnis abgeschafft hat. Wer nahm erst einzelne Worte weg, strich Strophen aus und dichtete um, was Jahrhunderte lang Halt und Haltung gab?
Auf jeden Fall sollte man ein Evangelisches Gesangbuch und ein katholisches Gotteslob im Schrank haben. „Die Gedanken sind frei!“ Man wird sie wieder brauchen, um der Angst Herr zu werden. Wehe allen Gefängnismauern, wenn die Ängstlichen sich aufraffen und die alten Lieder neu singen.
Vorsänger gesucht!
Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Psalm 98,1Das alte Lied. Wie ein hässlicher Ohrwurm hat es sich in unser Inneres gegraben. Täglich kommen neue Strophen dazu. Sein Grundton ist die Angst. Der Mensch singt es seit Urzeiten. Aber nur wir heute wissen wohl wirklich von den Zusammenhängen und realen Bedrohungen. Also, dass es so nicht mehr lange weiter und gut gehen kann.
Terror, Umweltzerstörung, Überfremdung, Politikstile, die uns die Haare zu Berge stehen lassen, Verrohung und Kulturverfall – da haben wir von den persönlichen Befürchtungen noch gar nicht gesprochen. Das alles kann nicht gut gehen!
Doch! Es ist schon gut gegangen! Davon haben die Christen dringender denn je zu singen oder wenigstens überzeugend zu sprechen.
Doch die Kirche, also wir, beschäftigen uns mit uns selbst. Rechnen unsere Erbsen hoch und runter, zerren verbissen an Strukturen und haben vor allem damit zu tun, wie wir gesellschaftlich dastehen. Wir setzen kaum wirklich ein, was uns verhießen ist. Wir pfeifen vor Sorge eher im Wald, anstatt mit dem fröhlichen »dennoch«, das neue Lied der Hoffnung anzustimmen. Und manche denken sogar, man würde es nicht merken.
Es ist aber alles gut! Auch wenn natürlich in der Welt vieles extrem im Argen liegt. Christus IST für uns auferstanden. Weil sich die gottfeindliche Welt nicht selbst erlösen kann, HAT ER das für UNS getan.
Wir Sonntagsleser kennen doch eigentlich das Evangelium? Also lasst uns das neue Lied endlich wieder anstimmen. Und zwar überall.
Lieder verändern nämlich und das Evangelium setzt die nötigen Kräfte frei. Weil Gott das Wunder getan hat, ist ein neues Lied zu singen.
Vorsänger und Vorsängerinnen werden dringend gesucht!
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