1000 Jahre Merseburger Domweihe
Mehr als Zaubersprüche und BibelStattlich und erhaben ist er – nicht der Größte seiner Art, aber dennoch beeindruckend. Mit seinen Türmen, dicken Mauern und vor allem seiner langen Geschichte. Von Freitag bis Sonntag dreht sich im sachsen-anhaltischen Merseburg alles um ihn: den Dom St. Johannes und St. Laurentius. Denn 2021 jährt sich die Weihe des Bauwerks zum eintausendsten Mal.
Zum Jubiläum wird in Merseburg einiges aufgefahren: Unter dem ambitionierten Motto „Geweiht für die Ewigkeit“ wurde 2021 zum Festjahr ausgerufen, eine Glocke für das historische Geläut gegossen. Und nun steht ein dreitägiges Fest mit Umzug, Glockenweihe, Gottesdiensten und Konzerten an. Die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz holen zu diesem Anlass ihre seltenen Schätze hervor - und auch die weniger bekannten erzählen Spannendes.
Besonders prominent: Die Merseburger Zaubersprüche, die einzigen in Deutschland erhaltenen heidnischen Beschwörungsformeln, die ein Mönch vor mehr als 1.000 Jahren in Althochdeutsch aufschrieb. Im Original waren sie zuletzt 2004 zu sehen. Mit ihren drei Teilen und den kunstvollen Ausmalungen zählt auch die Merseburger Bibel zu den bekannteren Besitztümern der Domstifter. Es seien ganz besondere Stücke, die nur an einem Ort mit so großer Tradition wie Merseburg hätten entstehen können, sagt der Leiter des Domstiftsarchivs und der Domstiftsbibliothek Merseburg, Markus Cottin: „Die Besonderheit von Archiv und Bibliothek in Merseburg ist, dass sie im Grunde seit 1.000 Jahren an der Stelle sind, wo sie entstanden sind.“ So ließen sich die vielen historischen Zeugnisse nach wie vor am authentischen Ort und im authentischen Kontext in den Räumen des Kapitelhauses erleben.
Die Bedeutung, die Merseburg einst einnahm, lässt sich auch an einem weniger prominenten, aber ebenso spannenden Zeugnis der Vergangenheit erkennen: Einer Urkunde von Heinrich II., der dem Merseburger Dom zur Weihe ein sogenanntes Blankett schenkte. „Das muss man sich vorstellen, wie einen Blankoscheck“, erklärt Cottin: „Man kriegt also einen unterschriebenen Scheck und kann die Summe selbst noch eintragen. Und so ähnlich war es bei der Urkunde.“ Es lasse sich sogar anhand verschiedener Tinten erkennen, dass der Inhalt der Urkunde erst später eingetragen worden sei.
Ein Gegenstück zu diesem Teil der Merseburger Geschichte ist ein recht mysteriöses Objekt: Eine mumifizierte Hand, die dem sogenannten Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden zugeordnet wird. Dieser wurde 1077 auf dem Höhepunkt der Streitigkeiten zwischen Heinrich IV. und dem Papst zum Gegenkönig erhoben. 1080 soll ihm bei einer Schlacht gegen Heinrich seine rechte Hand, die Schwurhand, abgeschlagen worden sein. Rudolf von Rheinfelden starb an seinen Verletzungen, die er im Kampf erlitten hatte. Sowohl Urkunde als auch die abgetrennte Hand zeigten das gesamte Spannungsfeld des elften Jahrhunderts, erklärt Cottin. Auf der einen Seite stehe die unbedingte Königsnähe unter Heinrich II. und auf der anderen Seite das etwas widerborstige Verhalten gegenüber Heinrich IV., als Merseburg treu zum Gegenkönig gehalten habe.
Einen konkreten Einblick in das Leben der Menschen gibt noch eine Handschrift des Sachsenspiegels aus dem 14. Jahrhundert, die ebenfalls zu sehen ist. Das große Buch mit der schwarzen Schrift und den kunstvollen Verzierungen enthalte rechtliche Grundlagen und zeige, wie das Recht tatsächlich angewendet worden sei, sagt Cottin. Neben Land- und Lehnrecht lasse sich damit etwa nachvollziehen, welche Abgaben gezahlt werden mussten, wie man sich auf der Straße zu verhalten hatte und wie etwas vererbt werden konnte. „Den Sachsenspiegel darf man aber nicht nur als Rechtstext sehen“, betont Cottin. Auch eine sozial- und kulturgeschichtliche Bandbreite lasse sich darin erkennen. Sowohl Blankett als auch Sachsenspiegel sind nur anlässlich der Feierlichkeiten zur Domweihe zu sehen. Wann sich die Archive der Domstifter wieder öffnen, ist noch offen.
Weitere Informationen:
In Merseburg beginnen am Freitag die Feierlichkeiten zur Weihe des Doms vor 1.000 Jahren. Dazu sind bis Sonntag unter anderem ein Festumzug, die Weihe einer Glocke, ein ökumenischer und ein Pilgergottesdienst sowie zwei Festkonzerte geplant. Zudem könnten die Originale der in der Regel unter Verschluss gehaltenen „Merseburger Zaubersprüche“ besichtigt werden. Dabei handelt es sich um vermutlich aus dem 10. Jahrhundert stammende und in althochdeutscher Sprache festgehaltene Formeln zur Befreiung Gefangener und der Linderung von Verrenkungen bei Pferden.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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