Mama ist suchtkrank
Kinder suchtkranker Eltern bekommen in Chemnitz bei der Diakonie HilfeZu Beginn und zum Schluss der eineinhalb Stunden sitzen alle rund um den Picknick-Korb auf dem weichen grünen Teppich. Wie ein Rasen sieht er aus, der Blick geht auf grüne Brachflächen hinter den Häusern. Hier in den Sonnenberg-Terassen, wo die ambulanten Suchthilfeeinrichtungen der Stadtmission Chemnitz zusammen gezogen sind, treffen sich Kinder suchtkranker Eltern zu wöchentlichen Gruppen.
Vor drei Jahren entstand die Idee, ein gemeinsames Angebot mit der Familien- und Erziehungsberatung zu starten, weil es nicht reichte, die betroffenen Familien nur jeweils zu den Kollegen zur Beratung zu schicken. Die Finanzierung wurde über den Freistaat Sachsen, die Stadt Chemnitz und die Stadtmission gesichert. Und so finden seit einem Jahr 15 Kinder den Weg in eine der beiden Gruppen.
Mit 25 Familien hatten die Therapeuten dazu Vorgespräche. Der erste Schritt, dass beide Elternteile bereit sind, den Kindern gegenüber über ihre Sucht zu sprechen, ist schwer, so die Erfahrung der Pädagogin Astrid Hielscher: »Sie wollen ihre Kinder nicht belasten. Einzugestehen, dass man etwas nicht schafft, fällt niemandem leicht.«
Meist geht es um Alkohol und die neue Aufputschdroge Crystal. Weil dazu noch wenige Erfahrungen vorliegen, soll das bisher einmalige Projekt wissenschaftlich begleitet werden. »Eine Mutter nimmt vielleicht morgens 0,1 Gramm Crystal, um sich für den Tag zu motivieren«, schildert Suchttherapeut Marco Dobeck. Sie fühle sich dann konzentriert, aber sei genervt bei jeder Störung. Nachmittags klinge die Wirkung ab, dann nimmt sie eine neue Dosis und kann nachts nicht schlafen – oder sie lässt es und wird sofort müde und reizbar. Die Kinder leiden unter dem unberechenbaren Verhalten der Eltern und schämen sich.
Die Frage: »Warum bin ich hier in der Gruppe?«, zu beantworten, dauert oft Wochen, weiß Astrid Hielscher und zeigt ein gelbes Blatt. »Ich bin hier, weil Papa und Mama sich gestritten haben, ich weine« hat ein Mädchen geschrieben und bunte Herzen dazu gemalt.
Den Kindern wird in der Therapie vermittelt, dass die Eltern krank sind, dass es nichts ändere, wenn sie etwa besonders lieb und angepasst sind. Sie lernen, ihre Gefühle zu äußern, und werden bestärkt. Die Kinder lernen auch, wie sie sich bei schlechten Gefühlen helfen können: die Oma anrufen oder zur Nachbarin gehen etwa.
Dass sie bei den Picknick-Runden nicht mit den Therapeuten allein sind, lässt die Kinder offener sprechen. Nicht zuletzt ist die Gruppe eine Stärkung, in der sie Freude erleben. Und etwas Leckeres zu Essen, in der Küchenecke des Gruppenraums gemeinsam zubereitet, gehört auch immer dazu – wie bei einem echten Picknick.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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