A.Rau schreibt:
20. Januar 2016, 22:44
Guten Morgen, lieber Herr Rau,
auch hier muss ich ein wenig korrigieren. Ich glaube, dass die Texte etwas bezeugen. In diesem Sinne hatte ich sie Christoph gegenüber unter Paul sagt: 10. Dezember 2013 um 12:41 einmal mit Johannes dem Täufer verglichen: "... sind diese Texte wie Johannes der Täufer (zumindest so, wie Johannes der Täufer im NT beschrieben wird): Sie sind nicht das Licht, sie sollen zeugen von dem Licht. Das ist übrigens auch unser Job."
Herzlich
Ihr Paul
Heilig oder historisch?
Theologen drehen jeden Satz in der Bibel um auf der Suche nach historischer Wahrheit. In Kirchgemeinden können das viele nicht nachvollziehen – auch ein Grund für die jüngsten innerkirchlichen Debatten.Was haben die Weihnachtsgeschichte, die Schöpfungserzählungen und die Übergabe der Zehn Gebote an Mose gemeinsam? Sie gehören zu den Kerntexten christlichen Glaubens – und sind, glaubt man historisch-kritischen Forschungsergebnissen, in Wirklichkeit wohl nie geschehen.
Seit der Zeit der Aufklärung klopfen Theologen ausgehend von Deutschland die Bibel Satz für Satz ab, fragen historisch-kritisch nach den Umständen ihrer Entstehung, ihrer Echtheit, sogar nach mündlichen Vorläuferquellen. Und entscheiden so mit dem Werkzeug wissenschaftlicher Wahrscheinlichkeiten, was Gotteswort ist – und was nur der jeweiligen Zeit geschuldet.
»Doch die Gemeindepraxis hat sich sehr weit entkoppelt von der akademischen Theologie«, sagt der Plauener Schulpfarrer Falk Klemm. »Die historisch-kritische Theologie schafft Distanz zur Bibel. Gemeindeglieder haben Trost in ihr erfahren und plötzlich sollen sie über sie urteilen.«
Klemm ist einer der Sprecher der Sächsischen Bekenntnisinitiative, die sich gegen die Öffnung von Pfarrhäusern für gleichgeschlechtliche Partnerschaften wendet. Die harte Debatte um die Haltung der Bibel zur Homosexualität hat hier eine ihrer Wurzeln: Viele Theologen sehen sie historisch-kritisch in der Zeit ihrer Entstehung begründet und damit als überholt an – viele konservative Christen in den Gemeinden verstehen das nicht.
Die Bekenntnisinitiative fordert deshalb Alternativen zur historisch-kritischen Theologie in den Ausbildungsstätten der Landeskirche. »Die historisch-kritische Methode geht aus ideologischen Gründen von dem Aberglauben aus, dass Gott in der Geschichte gar nicht direkt eingreifen kann. Das ist methodischer Atheismus«, kritisiert Falk Klemm. Wunder oder echte Prophetie? Die seien unter rationaler Perspektive undenkbar. »Die historisch-kritische Methode muss aus der Bevormundung durch die Vernunft herauskommen. Dann haben wir wieder Gott direkt«, fordert der Pfarrer.
Studierende mit einer konservativen Frömmigkeit haben auch an der Leipziger Universität mit der historisch-kritischen Methode zu kämpfen. »Das ist für sie oft ein schockierendes Moment«, weiß Cornelius Voigt, Studienassistent des konservativen Leipziger Theokreises. »Ich habe selbst auch großen Gewinn aus der historisch-kritischen Methode gezogen«, sagt Voigt. »Aber sie ist fast die einzige Methode in der universitären Theologie – da würde ich mir mehr Alternativen wünschen.«
Die gibt es vor allem außerhalb des historisch-kritischen Mutterlandes Deutschland. Amerikanische Theologen versuchen in der kanonischen Exegese, biblische Texte stärker von ihrer Stellung in der Bibel her zu verstehen. Aus der französischen Literaturwissenschaft kommt die Idee, die Geschichten der Bibel wie Erzählungen zu analysieren. Und dann gibt es noch die fundamentalistische Bibelauslegung.
»Jede Methode braucht Kritik und Ergänzungen«, sagt Sachsens Landesbischof Carsten Rentzing. »Den Mut dazu wünsche ich mir an den Theologischen Fakultäten – aber dafür sind sie in akademischer Freiheit selbst zuständig und diese Debatten sind in ihnen auch schon angekommen.«
Er selbst habe als Theologe immer historisch-kritisch gearbeitet und diese Methode als Segen empfunden, weil sie auch von Irrtümern befreie, betont der Bischof. »Man muss die Vernunft gebrauchen, um die Heilige Schrift zu verstehen – aber eine Verkündigung wird nur möglich sein, wenn man die Schrift selbst zu Wort kommen lässt neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen.« Für den Landesbischof ist das kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander.
Paul schreibt: 21. Januar 2016, 4:55 "sie sollen zeugen von dem Licht. Das ist übrigens auch unser Job."
Lieber Paul,
ich mische mich mal kurz ein: Von welchem Licht? Da ist es m.E. schon ein bedeutsamer Unterschied, ob ich von dem Licht zeuge, "in dem mir Gott gegenwärtig wird" oder vom Lamm Gottes, das meine und die Sünden der ganzen Welt trug, um uns mit seinem Vater zu versöhnen.
Ich will sagen: gründet unser Zeugnis zuallererst und grundlegend auf meinem subjektiven Erleben und Verstehen (wenn nötig auch gegen das Zeugnis der Heiligen Schrift) oder bin ich in meinem Zeugnis gebunden an das Wort des zu Bezeugenden (das wir nirgendwo sonst als in der Bibel vorfinden)?
Herzliche Grüße
Ihr Christoph
Christoph schreibt:
21. Januar 2016, 7:50
Lieber Christoph,
ich kann da nur für mich sprechen – und verweise gern auf das Wort: Von nun an glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland.
Was heißt "gebunden an das Wort des zu Bezeugenden"? Dieses Wort haben wir im Spiegel der Schrift, nicht in der Schrift.
Herzlich
Ihr Paul
P.S. Schön, von Ihnen zu hören! Wie gesittet es hier zugeht.
Paul schreibt: 20. Januar 2016, 19:55 "Die Nuss-Typen behaupten ja, dass alles wortwörtlich irrtumslos richtig ist."
Lieber Paul,
ich glaube, hier überzeichnen Sie etwas. Ein solches "bürokratisches" Verständnis von Wahrheit vertritt ja m.E. nicht einmal die Chicago-Erklärung.
Herzliche Grüße
Ihr Christoph
Christoph schreibt:
21. Januar 2016, 8:17
Lieber Christoph,
da müssten wir mal eine/n Vertreter*in der Nuss-Fraktion fragen. Ich habe noch im Ohr, dass alles zu 100 % irrtumsfrei sein müsse, weil man ja sonst nicht sicher sein könne, dass das andere richtig ist. (http://a.sonntag-sachsen.de/2013/02/28/sprechen-und-schweigen/comment-pa... ) Und in der Tat: Was wäre denn dann ein Kriterium? (Und es war eine Forderung von A. Rau: Alles oder Nichts! Meine Entscheidung kennen Sie ja.)
Herzlich
Ihr Paul
Glückauf Paul,
die Intention meiner Intervention damals war,
a) dass die Rede von Nüssen und Matsch eine willkürliche Festlegung von wichtigen und nebensächlichen Aussagen innerhalb der Bibel beinhaltet. Nun bin ich schon der Meinung, dass es wichtiger ist über die Erlösung Bescheid zu wissen als über die Zornschalengerichte. Dennoch gibt es keinen Maßstab für diese Festlegung und die Grenze.
b) dass A. Rau wohl eher Erkenntnisunterschiede meinte. Auch da stimme ich zu, dass es in der Auslegung Unterschiede geben kann. Er wird wohl keine 2 Christen geben, die alles gleich sehen. Aber das meinte ich nicht; mir ging es um die Grundherangehensweise an die Bibel.
Beste Grüße, Bastl
P.S. Aus welchem Grund setzen Sie denn ständig diese *Sternlein? Muss das wirklich sein oder wollen Sie damit Genderkritiker ärgern?
Bastl schreibt: 21. Januar 2016, 9:56
Ich würde den Rahmen sogar noch etwas weiter ziehen: Es liegt nach meiner Meinung auch nicht in der Absicht der Verfasser der bibl. Bücher, unser Interesse an Statistik und unser Verständnis von (griechisch geprägter) Logik zu bedienen. Bspw. lässt die Schilderung der Versuchungen von Jesus KEINEN Schluss auf die Reihenfolge der einzelnen Versuchungen zu. Desgleichen finde ich es auch schwierig, mit einer solchen Herangehensweise z.B. die für unseren Glauben überaus wichtige Frage nach dem Todesort des Königs Josia zu ermitteln. Pauls Zitate von wörtlicher Rede bei der Taufe von Jesus gehört auch dazu.
Bei all dem sollten wir uns vergegenwärtigen, dass die Schreiber Juden waren - und sich somit in Herangehen und Schilderungsweise sehr von uns unterscheiden. Und, ehrlich gesagt, ist mir dies auch deutlich lieber als unsere von mathematischer Logik bestimmte Prägung. Es geht schließlich um Leben und nicht um Rechenaufgaben. In diesem Sinne ist in der Bibel auch nach meiner Überzeugung alles wahr.
Und eine nachträgliche Bewertung des bibl. Wortes danach, was wir nach unserer jetzigen Erkenntnis anerkennen können und was anders gedeutet werden muss, halte ich für falsch. In diesem Sinne überhebt sich die heutige Theologie in der Nutzung der HKM über den Text. Was - nebenbei gesagt - nicht ausschließt, dass manche handwerklichen Details, die in der HKM genutzt werden, prinzipiell sinnvoll sind und im Rahmen von Exegese und Forschung ja auch genutzt werden.
Christoph
In der aktuellen Papier-Ausgabe des SONNTAG können wir einige Zeugnisse von Pfarrern lesen, wie ihnen die HKM zu einer bibeltreuen und zeitgemäßen Verkündigung der Guten Nachricht verhilft. Ich finde das sehr lesenswert; auch dass auch sie die angebliche Gegenüberstellung von"heilig" und "historisch" als falsch beschreiben, gefällt mir gut. Also: Zum Papiersonntag greifen, lohnt sich.
Johannes Lehnert
Ja, besonders das erste Statement dort trifft den Nagel auf den Kopf....
Bastl schreibt:
21. Januar 2016, 9:56
Lieber Bastl,
ich bedenke noch bei mir, was dies für ein Gruß sei.
In der Zwischenzeit:
a) habe ich noch trotz meines schwächer werdenden Gedächtnisses (Lieber Christoph, haben Sie den Film "Mr Holmes" schon gesehen? Bis auf das Ende sehr schön.) meine ich noch im Kopf zu haben, dass Sie meinten, alles müsse 100% stimmen. Wobei Sie beim Kreisdurchmesser erstaunlich weitherzig waren. (Ich bin dafür in der leidigen Homofrage und an einigen anderen Stellen so weitherzig.)
b) Erkenntnisunterschiede ist ein nicht sehr präzises Wort. Was fällt denn für Sie darunter? Ich meine, dass die Dinge, die A. Rau vorbrachte, dann schon eine sehr weite Interpretation des Wortes "Erkenntnisunterschiede" nötig macht.
Es wird sicher keine 2 Christen geben, die alles gleich sehen. Sicher auch nicht gleich hören. Aber sollte Gott dann zwei wählen, um ihnen etwas zu diktieren?
Herzlich
Paul
P.S. Ist Genderkritiker bei Ihnen nun analog zu Bibelkritiker oder zu Asylkritiker gemeint?
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