Vor 11 Jahren ging der Wittgendorfer Pfarrer in den Ruhestand. Der Auerswalder Pfarrer wurde sein Nachfolger - und beide Gemeinden Schwestern. Schon damals war den Kirchenvorständen klar, im System der Kirchensteuern und bei demographischem Wandel würde es einen kontinuierlichen Abbau von Gemeindearbeit geben. Wenn die Gemeindearbeit erhalten bleiben soll - und das macht sich vor allem am regelmäßigen sonntäglichen Gottesdienst fest - muß man also andere Wege gehen. 2006 haben wir zu 50% einen Gemeindereferenten eingestellt, einen Mann mit Prädikantenausbildung und viel Erfahrung in Kirchgemeinde und Landeskirche. Inzwischen versieht diese Stelle ein anderer, ein Diakon mit 75% Anstellung. Seit elf Jahren finanzieren Spender aus beiden Gemeinden hier einen großen Teil der Gemeindearbeit. Eigentlich eine vorbildliche Sache, ein gutes Modell, von dem man lernen könnte, gerade wenn es um weiter Einsparungen geht. Und interessiert sich die Landeskirche dafür? Nein.
Das ist an sich schon traurig. Aber das eigentliche Problem ist, daß man uns jetzt nicht mal eine Nische einräumt, in der wir mit unserem Modell vor Ort eigenständig weitermachen können.
Kirchenvolk will mitmischen
Mitbestimmung: Nicht nur bei der Strukturreform fordert die Kirchenbasis mehr Mitsprache und Transparenz – doch die Landeskirche funktioniert anders.Darüber wird nicht mehr diskutiert! Demokratie sieht anders aus!«, schimpft eine SONNTAG-Leserin bei Facebook über die Kürzungspläne der Kirchenleitung. »Da werden Dinge von oben verordnet und den Wahnsinn bekommt man scheibchenweise serviert«, antwortet eine andere. Irgendetwas scheint kaputt gegangen zu sein zwischen Leitung und Basis in der sächsischen Landeskirche.
Es war schon zu spüren in der erbitterten Debatte über die Öffnung der Kirche für homosexuelle Menschen. Oder in der Kritik am verborgenen Aufbau des Diakoniestiftung-Konzerns. »Das erinnert mich ein bisschen an den Umgang der DDR-Führung mit ihrem Volk«, rügte der Vorsitzende des Diakonie-Ausschusses der Landessynode, Christoph Apitz, im Januar auf der Diakonischen Konferenz. »Ich wünsche mir mehr gegenseitige Achtung.« Die Konferenz bat den Synoden-Ausschuss um Prüfung der Stiftungsgründung und schlug die Einschaltung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor. Ein Novum.
»Ich halte Transparenz für gefährlich, wenn man nur etwas durchschauen will ohne bessere Vorschläge zu machen. Das schafft wechselseitig Frustration«, sagt Synodenpräsident Otto Guse, Rechtsanwalt und ehrenamtlich Mitglied der Leitungsgremien in Landeskirche und Diakonie. »Wie bei einer Uhr aus Glas: Es ist toll zu sehen, wie die Räder laufen – aber als Nicht-Fachmann verstehe ich nicht, wie sie besser funktionieren könnte.« Der Ruf nach Transparenz und Kontrolle zeigt für Otto Guse vor allem eines: Dass das geschwisterliche Miteinander gestört ist. Und das Vertrauen in die Leitenden.
Konsens statt Kontrolle lautet das Prinzip der Landeskirche. Landeskirchenamt, Kirchenleitung und die Synode arbeiten zusammen. Sie bitten einander und fordern nicht. Sie diskutieren und suchen am Ende einen gemeinsamen Weg. Das Problem dabei: Macht wird ausgeübt – aber oft bleibt unklar, von wem. Und mit welchen Interessen.
So war es auch, als die Kirchenleitung die Strukturreform vorbereitete. Ein Jahr lang arbeitete eine elfköpfige Arbeitsgruppe daran – in ihr Vertreter von Stadt und Land, Pfarrer, Gemeindepädagogen, Kantoren, Verwaltungsmitarbeiter, vier Oberlandeskirchenräte und sechs Synodale.
Nur taten sie das unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei experimentiert selbst der Staat auch in Sachsen mit neuen Formen einer breiteren Bürgerbeteiligung. »Andere Beteiligungsformen können wertvoll sein, erzeugen aber häufig auch Erwartungen, denen sie nicht standhalten«, sagt Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz, einer der zwei Vorsitzenden der Arbeitsgruppe. »Hätten wir die Diskussion auf Podien oder großen Versammlungen geöffnet, hätten alle Vorschläge und Einzelinteressen am Ende dennoch gewichtet und entschieden werden müssen. Man muss für ein neues Grundvertrauen in geordnete Zuständigkeit von Gremien wieder werben. Außerdem brauchen komplexe Entscheidungsprozesse auch Diskurstiefe und manchmal auch einen nichtöffentlichen und geschützten Raum.« Kritiker in den Kirchgemeinden sehen das anders.
Für Burkart Pilz hat das Grummeln im Bauch der Landeskirche Anteil am Verlust an Vertrauen in demokratische Institutionen insgesamt. Aber wie dieses Vertrauen zurückgewinnen? »Glaube, Kirche und Transparenz sind kein Gegensatz und gehören zum geschwisterlichen Umgang«, findet der Leipziger Synodale und Kommunikationswissenschaftler Leonhardt Krause. Er fordert mehr Transparenz auch zu wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen der Landeskirche. »Wenn Menschen wissen, worum es geht, sind viele auch bereit mitzugehen und sogar noch mehr zu geben – selbst bei Kürzungen. Wovor haben wir Angst?«
Ich denke, Gert Flessing hat es wieder mal auf den Punkt gebracht.Die leute wollen von "Kirche" nicht den das gleiche, oft unsinnige und unbiblische, Geschwafel wie von den Politikern hören!
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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