Wie Bach um die Chorbesetzung rang
Ein Buch versammelt die wichtigsten Dokumente des Thomanerkantorats aus der BachzeitEin Jahr lang feierte 2012 die »Thomana« – also die Trias aus Thomanerchor, Thomaskirche und Thomasschule – ihr 800-jähriges Jubiläum. Zu Recht wurde so ausgiebig gefeiert, denn diese ungebrochene Tradition ist nahezu einmalig in der Musikgeschichte. Darum sind auch zahlreiche Bücher, Festschriften und Ausstellungen vor sechs Jahren entstanden. Und schnell wurde den Publizisten und Forschern klar, dass es immer wieder aufs Neue schwer ist, aus dem gigantischen Corpus an Dokumenten jene herauszuziehen, die wirklich von Bedeutung sind. So kann es gar nicht hoch genug bewertet werden, dass das Bach-Archiv Leipzig entschieden hat, die ausschlaggebenden Dokumente zur Geschichte des Thomaskantorats in einer systematischen Sichtung der Archive und Bibliotheken zu erschließen.
Zwei Bände umfasst das Mammutwerk: Der erste umschließt die Zeit von der Reformation bis zu Bachs Amtsvorgänger Kuhnau, der zweite beginnt mit dem Amtsantritt des berühmtesten aller Thomaskantoren und endet im frühen 19. Jahrhundert.
Beide Grenzen sind nicht willkürlich: Mit der Reformation und der Auflösung des Thomasklosters begann die städtische Geschichte des Chores – danach war das Thomaskantorat trotz aller kirchlicher Bedeutung ein Amt, das von den Stadtoberen verwaltet und kontrolliert wurde. Im frühen 19. Jahrhundert wiederum änderten sich die Bedingungen, unter denen der Chor sang, grundlegend.
Zudem hat der Wissenschaftler Stefan Altner schon vor Jahren in seiner Doktorarbeit die zugänglichen Akten des weiteren 19. Jahrhunderts gesichtet und ausgewertet.
Dass von diesem Großprojekt zuerst der zweite Teil erscheint, ist kein Zufall: Band 1 liegt in den Händen des Bachfest-Intendanten Michael Maul. Der hatte bereits im Zuge des Jubiläums ein Buch über die Chorgeschichte von 1212 bis zum frühen 19. Jahrhundert vorgelegt und ist gerade für die Zeit zwischen Luther und Bach ein ausgewiesener Experte. Allerdings ist die Quellenlage hier wohl so kompliziert, dass die Arbeiten noch eine Weile andauern werden.
Was aber keinesfalls heißt, dass Andreas Glöckner mit dem von ihm herausgegebenen zweiten Band leichte Arbeit gehabt hätte. Vielmehr galt es, Dokumente, die bereits an anderer Stelle veröffentlicht wurden, nochmals zu edieren, sparsam zu kommentieren und vor allem eine Auswahl zu treffen. Wie Glöckner diese vornimmt, nötigt großen Respekt ab. Denn gerade in heiß diskutierten Fragen wie jener nach der »richtigen« Chorbesetzung liefert er zahlreiche Dokumente und kommentiert sie mit nur wenigen Worten – aber eben so, dass klar wird, dass hier ein wahrer Kenner am Werk ist.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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