Lebensversuche in Zeiten der Angst
Christoph Kuhns neues Buch kreist um ein Lebensgefühl der Gegenwart – und gibt zarte Impulse für ein Leben jenseits der AngstMenschen, die Schwierigkeiten haben, mit anderen Verbindung aufzunehmen und diese Verbindungen zu halten, stehen im Mittelpunkt des neuen Erzählungsbandes von Christoph Kuhn. Es sind ausschließlich Männer, die sich von ihrer Umwelt abkapseln, die keine Briefe und Mails mehr lesen, nicht mehr telefonieren, die verschwinden, teils mit, teils ohne Abschiedsgruß.
Von der extremen Form des Sich-Verabschiedens erzählt die Titelgeschichte »Kein Weg zurück«: ein Mann schließt sich einer Weltraummission zum Mars an. Es ist klar, dass keiner der Männer zur Erde zurückkehren wird. Seine Frau überlegt, ob sie ihm eine E-Mail schreibt oder nicht. Aber was soll sie ihm schreiben? Kann er noch Anteil nehmen an ihrem Leben? Das Desinteresse am irdischen Leben schützt die Raketenbesatzung vor seelischen Erschütterungen, »und die gehören zu den größten Risiken der Expedition«.
Vor seelischen Erschütterungen, vor Anteilnahme an fremden Schicksalen, vor Verantwortung für andere wollen sich auch die Männer der anderen Erzählungen schützen. Vor lauter Schutzbedürfnis verlieren sie ihr Leben, sind sie derart isoliert, dass sie eines Morgens allein in ihrem Haus aufwachen, das statt an der belebten Straße an einem ihnen unbekannten See steht, der sie von allen anderen Menschen trennt.
Sehr poetisch, über einzelne Worte der Luther-Übersetzung nachsinnend, schreibt der Autor eine behutsame, beinah zärtliche Auslegung der Paradieserzählung aus dem Alten Testament.
Eingeleitet wird der Band mit einer Rede, die Kuhn vor Psychotherapeuten gehalten hat. Als Fontane verkleidet und an dessen Stil angelehnt, diagnostiziert er einige Übel unserer Zeit. Die Hauptsache ist, dass Kuhn in dieser Rede ein klares Bekenntnis zum Künstlertum ablegt, ohne Pathos, dabei überzeugend in seiner Zwangsläufigkeit. Beliebigkeit führt nicht zur Kunst.
Kuhn legt ein Buch vor, in dem auf literarisch abwechslungsreiche Weise, unterhaltsam, dabei nie oberflächlich, Fragen und Probleme unserer Gegenwart dargestellt werden. Einfache Lösungen hat er nicht parat, aber einen unverstellten Blick auf die Welt und eine klare, aufrichtige Sprache.
Christoph Kuhn: Kein Weg zurück. Erzählungen. Mit zehn Bildern von Gudrun Trendafilov. edition petit Dresden 2018, 89 Seiten, 14 Euro.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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