Der Berliner Verleger Holger Friedrich hat bei seiner früheren Stasi-Mitarbeit Experten zufolge »überwiegend Offenkundiges« berichtet. Zu diesem Fazit kommen die frühere Leiterin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, und der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk in ihrer am Mittwoch veröffentlichte Analyse. Die beiden Experten waren vor gut drei Wochen von den Redaktionen der "Berliner Zeitung" und des "Berliner Kurier" um die unabhängige Sichtung und Bewertung der Stasi-Unterlagen von Holger Friedrich gebeten worden. Die beiden Zeitungen kündigten unterdessen eine weitere Bearbeitung des Themas an.
Die 25-seitige Analyse von Birthler und Kowalczuk wurde zunächst von der Robert-Havemann-Gesellschaft und kurz danach auch von den beiden Zeitungen online veröffentlicht. Beide Experten kommen darin zu dem Ergebnis, dass in einem Fall die Informationen von Friedrich als Informeller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit der DDR zu einer strafrechtlichen Belehrung eines Anderen geführt habe. Damit sei unter Umständen ein erhebliches Einschüchterungspotenzial des Betroffenen verbunden gewesen.
Dennoch trügen die Informationen von Friedrich keinen »politisch-ideologischen Charakter«, schreiben Birthler und Kowalczuk in ihrer Einschätzung weiter. Entsprechende Aussagen zu Lasten Dritter würden sich in den Unterlagen nicht finden.
Im November war bekanntgeworden, dass der neue Eigentümer des Berliner Verlags, zu dem die »Berliner Zeitung« und der »Berliner Kurier« gehören, zeitweise als IM für die Stasi tätig war. Danach war eine öffentliche Debatte um den Umgang mit der DDR-Vergangenheit des Verlegers und Unternehmers entbrannt. Die Chefredakteure Jochen Arntz (»Berliner Zeitung«) und Elmar Jehn (»Berliner Kurier«) hatten eine journalistische Aufarbeitung des Falls angekündigt.
In ihrer Analyse empfehlen die beiden Experten dem Berliner Verlag und den beiden Reaktionen zudem, die Stasi-Unterlagen über Holger Friedrich so weit wie möglich öffentlich zu machen. In einem Brief an Arntz und Jehn, betonen Birthler und Kowalczuk zudem, dass sie in ihrer Analyse darauf verzichtet haben, »den sich aus den Unterlagen ergebenden Befund politisch oder moralisch zu bewerten«.
Wie in anderen Fällen spiele nicht nur die Aktenlage eine Rolle, sondern auch die Grundhaltungen zum Thema DDR-Aufarbeitung. »Außerdem haben wir in der Vergangenheit viel zu oft erfahren müssen, dass verkürzte Darstellungen zu pauschalen und vorschnellen Verurteilungen bzw. Entlastungen führen«, betonen Birthler und Kowalczuk in dem Brief an die Chefredakteure weiter.
Unterdessen kündigten die »Berliner Zeitung« und der »Berliner Kurier« am Mittwoch an, dass sie nach der nun vorgelegten Analyse das Thema umfassend behandeln wollen. »Wir werden diesen Bericht und seine Ergebnisse zum Anlass nehmen, in den kommenden Tagen und Wochen das Thema einer adäquaten Aufarbeitung der DDR-Geschichte publizistisch und mit Diskussions-Veranstaltungen zu begleiten«, hieß es in der online veröffentlichen Stellungnahme.
Friedrich hatte zusammen mit seiner Frau Silke Mitte September den Berliner Verlag mit »Berliner Zeitung« und »Berliner Kurier« von der DuMont-Mediengruppe übernommen.
Internet:
Die Anaylse von Birthler und Kowalczuk ist online nachlesbar unter www.havemann-gesellschaft.de/aktuelles/
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