Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, Marco Wanderwitz (CDU), sieht 31 Jahre nach der Wiedervereinigung bei vielen Ostdeutschen eine ausgeprägte Politik- und Demokratieskepsis. Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehörten zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede finde, sagte Wanderwitz am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des „Jahresberichtes zum Stand der Deutschen Einheit“. Im Vergleich zu den westdeutschen Ländern gebe es im Osten durchgängig eine skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik und Demokratie.
Die Ursachen dafür sind dem Bericht zufolge vielfältig. Sie reichten von der Verklärung der DDR-Diktatur über negative Transformationserfahrungen und Benachteiligungsgefühlen bis hin zu fremdenfeindlichen oder antisemitischen Einstellungen. Viele Ostdeutsche seien auch einfach von der Demokratie enttäuscht. Die Unterschiede von politischen Einstellungen seien aber gradueller und nicht substanzieller Art, sagte Wanderwitz. Sie seien auch keineswegs so erheblich, dass sie das Zusammenwachsen in Deutschland grundsätzlich infrage stellten. Den benachteiligten Osten gebe es nicht mehr.
„Trotzdem können uns die Befunde nicht zufriedenstellen“, sagte der Ostbeauftragte: „Ein gesellschaftliches Auseinanderdriften dürfen wir nicht akzeptieren.“ Sorge bereitet dem CDU-Politiker auch das unterschiedliche Wahlverhalten in Ost und West. Obwohl beide Landesteile gleichermaßen von der Politik der Bundesregierung betroffen seien, erziele die AfD im Osten mehr Stimmen: „Wenn ich eine rechtsradikale Partei wähle, lehne ich offensichtlich unsere verfasste Demokratie ab.“
Dem Bericht zufolge fühlte sich zwar ein Drittel der Ostdeutschen (33 Prozent) weiterhin als „Mensch zweiter Klasse“, aber eben auch ein Viertel (25 Prozent) der Westdeutschen. Auch bei Lebensführung, Familienleben oder der Freizeitgestaltung seien sich Ost und West 31 Jahre nach der Wiedervereinigung sehr ähnlich, sagte Wanderwitz.
Herausforderungen wie Globalisierung, Migration, Digitalisierung, Klimawandel, demografische Entwicklung und Fachkräftemangel stellten sich in allen Landesteilen in gleicher Weise. Allerdings müssten die meisten Regionen im Osten den Wandel noch immer aus einer schwächeren Position heraus bewältigen. So betrug das Bruttoinlandsprodukt (BiP) dem Bericht zufolge 2020 rund 77,9 Prozent des westdeutschen Niveaus, inklusive Berlin 82,8 Prozent. Das verfügbare Einkommen im Osten lag 2020 bei etwa 86 Prozent des Westens.
Auch das Privatvermögen im Osten lag mit rund 88.000 Euro im Durchschnitt nur bei knapp 48 Prozent des Westens. Ein wichtige Funktion wird laut Wanderwitz das geplante Zukunftszentrum europäische Transformation und deutsche Einheit haben, eine der Empfehlungen der Kommission Deutsche Einheit. „Davon versprechen wird uns viel Dialog und viel Aufarbeitung und eine Scharnierfunktion nach Osteuropa“, sagte Wanderwitz. Der künftige Standort in Ostdeutschland ist noch offen.
Der Bericht:
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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