Gedenkstätte im DDR-Frauenknast Hoheneck verzögert sich weiter
Schwierige Aufarbeitung am Ort des SchreckensDie roten Backsteinziegel sind weithin zu sehen. Schloss Hoheneck thront auf einem Felsen über dem sächsischen Stollberg. Malerisch schlängelt sich die Stadt im Erzgebirge um den Klinkerbau. Doch das Areal birgt ein dunkles Kapitel deutsch-deutscher Geschichte: Hoheneck war das größte Frauengefängnis in der DDR, ein zentraler Schreckensort der politischen Verfolgung. Tausende Frauen erlebten dort die Willkür der Diktatur – etwa 40 Prozent aus politischen Gründen, zum Beispiel nach Fluchtversuchen in den Westen.
Seit Jahren soll in Hoheneck eine Gedenkstätte entstehen. Ehemalige Inhaftierte – in alle Welt verstreut und manche hochbetagt – drängen darauf. Engagierten Zeitzeuginnen, in unterschiedlichen Vereinen organisiert, ist es überhaupt zu verdanken, dass das Thema immer wieder auf die Tagesordnung gekommen ist.
Doch das Vorhaben Gedenkstätte Hoheneck steckt fest. Erst sei die für 2017 vorgesehene Eröffnung verschoben worden, sagt Regina Labahn, Vereinsvorsitzende des Frauenkreises ehemaliger Hoheneckerinnen. Nun sei auch der Termin 2019 hinfällig. Die Stadt Stollberg, seit vier Jahren Eigentümer des ehemaligen Zuchthauses, gibt Baumaßnahmen für die Verzögerungen an.
Sie hat sich für das weitläufige Schlossareal mehrere Nutzer ins Boot geholt. Die interaktive Lern- und Erlebniswelt Phänomenia empfängt bereits Besucher. Nach der Sanierung des Westflügels soll zudem das Kinder- und Jugendtheater des Landkreises in Hoheneck einziehen. Die neue Bühne entsteht im früheren Kirchensaal der Haftanstalt.
Im Oktober würden umfangreiche Baumaßnahmen beginnen, sagt Jana Walter von der Stadtplanung Stollberg. In der ersten Etage des Westflügels soll die Gedenkstätte entstehen. Doch wegen der Theaternutzung seien die Bauarbeiten umfangreicher und würden bis mindestens 2021 dauern. Die Kosten werden auf rund zehn Millionen Euro beziffert. Bund und Land unterstützen finanziell.
Zudem wurden jetzt Pläne der Stadt Stollberg bekannt, rund um das frühere Zuchthaus eine neue exklusive Wohnanlage errichten zu wollen – mit Schwimmbad und Sportplatz. Ins Gefängnisareal selbst soll ein gehobenes Restaurant einziehen. Offenbar ist in Hoheneck vor allem eine Kultur- und Erlebnisinsel geplant, aber weniger ein Erinnerungsort.
Historikerin Eva Werner, in Stollberg für die geplante Gedenkstätte zuständig, kann das Konzept vorerst nur auf Papier präsentieren. Doch sie ist sich sicher: »Die Dauerausstellung kommt.« Das Foyer zwischen den ehemaligen Haftzellen soll – als Kontrast zum grauen Gefängnis – farbenfroh werden. Feminine Farben hätten die Planer gewählt – gelb, orange und rosa, sagt Werner. An den Wänden sollen später »Träume vom besseren Leben« stehen – zum Beispiel: »Ein eigenes Telefon«, »Paolo in Italien besuchen« oder »Bob Dylan live hören«. Die Zellen selbst würden authentisch und karg bleiben.
Unterdessen zweifeln Zeitzeugen am Erfolg des Erinnerungsprojektes. »Wir glauben nicht mehr daran, dass die Stadt Stollberg ein großes Interesse an der Gedenkstätte hat«, sagt Labahn, die heute in Nordrhein-Westfalen lebt. Die ersten öffentlichen Gelder seien vor Jahren für eine Gedenkstätte Hoheneck geflossen. Zudem hätten ehemalige Inhaftierte der Stadt originale Unterlagen für die Dauerausstellung überlassen, Haftbefehle etwa und persönliche Dokumente. »Was ist damit passiert?«, fragt sie sich.
Zwar bietet die Stadt schon länger Führungen durch den ehemaligen Frauenknast an, veranstaltet Zeitzeugengespräche mit Schülern. Doch eine dauerhafte Gedenkstätte gibt es nicht. »Zahlreichen ehemaligen Gefangenen ist es ein tiefes Bedürfnis, dass am Ort ihres Leidens über Haft und Zwangsarbeit in der DDR informiert wird«, betont Julia Spohr von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, die nach eigenen Angaben seit 2013 für Hoheneck rund 101 000 Euro an Projektfördermitteln ausreichte. Zugleich verweist sie zum aktuellen Sachstand auf die Stadt Stollberg »als Trägerin der künftigen Gedenkstätte«.
Unterdessen kämpfen noch immer viele »Hoheneckerinnen« mit den Folgen ihrer Haft. »Das Trauma sitzt«, sagt Konstanze Helber vom Süddeutschen Frauenkreis der Hoheneckerinnen. Viele Frauen hätten sich zurückgezogen. Sie selbst habe 25 Jahre gebraucht bis sie an den »Ort des Schreckens« zurückgekehrt ist. Doch dann wollte sie Klärung. »Als ich vor dem Tor stand, hatte ich zittrige Knie«, erzählt sie, »mir wurde schlecht und ich habe erst mal geweint«. Von diesem Moment an habe ihre Aufarbeitung begonnen.
Informationen zum Frauengefängnis Schloss Hoheneck:
Schloss Hoheneck wurde im 16. Jahrhundert auf den Grundmauern eines Jagdschlosses errichtet. Die Gefängnisgeschichte begann 1862 mit der Eröffnung als »Sächsisches Weiberzuchthaus«. Zeitweise waren in Hoheneck auch Männer inhaftiert. In der DDR wurde das ursprüngliche Schloss zum größten ostdeutschen Frauengefängnis ausgebaut. 40 Prozent der Frauen waren aus politischen Gründen inhaftiert.
Die »Politischen« saßen in Hoheneck meist mehrere Jahre, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt oder einen Fluchtversuch in den Westen unternommen hatten. Ihnen wurden »versuchte Republikflucht«, »illegale Verbindungsaufnahme« und »landesverräterische Agententätigkeit« vorgeworfen. Der Name »Hoheneckerinnen« wurde zum Synonym für die politische Verfolgung von Frauen in der DDR.
Zunächst verlegten 1950 die sowjetischen Militärtribunale mehr als 1000 Frauen aus den Speziallagern in Bautzen und Sachsenhausen nach Hoheneck. Das für maximal 600 Häftlinge ausgelegte Zuchthaus wurde zum ersten Mal überbelegt. Später, im Mai 1974, saßen sogar mehr als 1500 Frauen in Hoheneck.
In der 1970er Jahren verschärften sich die Haftbedingungen deutlich. Die »Politischen« wurden zusammen mit Mörderinnen und anderen Kriminellen inhaftiert und von diesen zusätzlich schikaniert – bis zu 48 Frauen teilten sich eine Zelle. Die Gefangenen schufteten im Dreischichtsystem, sie nähten unter anderem Bettwäsche für den Export der DDR in den Westen. Bei den »Politischen« wurde hoher psychischer Druck vor allem über die Kinder und Familien aufgebaut.
Zeitzeugen berichten von enormer Brutalität der Aufseherinnen und von Gewalt unter den Häftlingen. Privatsphäre gab es nicht. Selbst die Türen der Waschräume waren mit Spionen ausgestattet. Berichtet wird zudem aus den 1950er Jahren von einer Dunkel- und einer Wasserzelle, in die Frauen als Bestrafung eingesperrt wurden.
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde Hoheneck als einziges Frauengefängnis Sachsens fortgeführt. Mitte der 1990er Jahre waren in der Justizvollzugsanstalt auch männliche Strafgefangene untergebracht.
Im Frühjahr 2001 wurde das Gefängnis geschlossen, danach stand es zunächst leer. 2003 erwarb der saarländische Immobilienmakler Bernhard Freiberger das Areal vom Land Sachsen. Sein Plan, ein Erlebnishotel mit »Gefängnisfrühstück« aus der früheren Unrechtsort zu machen, scheiterte am Protest der Opferverbände. Schließlich kaufte die Stadt Stollberg 2014 die Immobilie vom Privateigentümer für rund 160 000 Euro.
Internet:
www.frauengefaengnis-hoheneck.de
www.stollberg-erzgebirge.de
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.