»Ich komme in jedem Buch von mir vor«
Schriftsteller Christoph Hein wird 75 Jahre altGerade liegt die Leipziger Buchmesse hinter ihm, die nächsten Termine und Lesungen stehen an. Auch wenn er ziemlich schnell spricht, wirkt Christoph Hein gelassen. Kurz vor seinem 75. Geburtstag am 8. April ist sein jüngstes Buch »Gegenlauschangriff. Anekdoten aus dem letzten deutsch-deutschen Kriege« erschienen. Es versammelt persönliche Geschichten und Erinnerungen rund um die Wendezeit und hat bereits für reichlich Schlagzeilen und auch Kritik gesorgt. Kontroversen kennt Hein. Damit musste er oft umgehen. Sein neues Buch enthält dazu auch einige Geschichten aus seinem Leben.
Mit seinen Romanen, Theaterstücken und Essays hat sich Christoph Hein längst in die Literaturgeschichte eingeschrieben, gilt als Chronist der deutsch-deutschen Verhältnisse. Er wurde 1944 in Heinzendorf in Schlesien geboren. Mit der Flucht seiner Eltern kam er im Alter von einem Jahr nach Bad Düben, einer Kleinstadt in der Nähe von Leipzig. Dort verbrachte er seine Kindheit. Bad Düben hat ihn vor einigen Jahren zum Ehrenbürger ernannt, eine Ehrung, die ihn »gefreut hat, aber auch ein bisschen amüsiert«, wie er sagt.
Sein Vater war Pfarrer, Christoph Hein wurde protestantisch erzogen. Und auch wenn er sich selbst als nicht religiös bezeichnet, weiß er heute, dass ihn dies sehr geprägt hat, wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Als Pfarrerssohn blieb ihm in der DDR zunächst die Erweiterte Oberschule verwehrt. So ging er im Alter von 14 Jahren nach West-Berlin, um dort ein Gymnasium zu besuchen. »Durch den Mauerbau 1961 wurde ich in den Schulferien aber wieder eingefangen und zum DDR-Bürger gemacht«, sagt Hein rückblickend.
Er studierte Philosophie und Logik in Leipzig und Berlin, arbeitete als Dramaturg, ist seit 1979 freier Schriftsteller. Sein literarischer Durchbruch gelang ihm mit der Novelle »Der fremde Freund«, die 1982 in der DDR und ein Jahr später unter dem Titel »Drachenblut« auch im Westen herauskam. Es ist die kühle und nüchterne Lebensbetrachtung einer 40-jährigen, geschiedenen und kinderlosen Ärztin in Ost-Berlin. Die Novelle wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
Das Etikett, das Hein anhaftet – »Chronist der deutsch-deutschen Verhältnisse« – entspricht durchaus seinem Anspruch, die Dinge und die eigene Zeit möglichst genau zu beschreiben, allerdings ohne zu belehren. »Ich will die Leute nicht zu irgendwas nötigen oder zwingen. Mir würde nie einfallen, den Leuten zu sagen, welche Partei sie wählen sollen oder dergleichen.«
Aber er wollte stets benennen, was eigentlich los war, vor allem in der DDR. Viel Beachtung fand seine Rede im November 1987 auf einem Kongress des Schriftstellerverbandes der DDR, in der er die Zensur als menschenverachtend und ungesetzlich brandmarkte. Auf der großen Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz gehörte dann auch Hein zu den Rednern.
Heute, 30 Jahre nach der Wende, sieht der Autor Deutschland nicht wirklich geeint und glaubt, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis dies endlich der Fall sein werde. Als merkwürdig empfindet er es auch, dass noch immer zwischen deutschen und ostdeutschen Schriftstellern unterschieden wird. Seine Wende-Geschichten in »Gegenlauschangriff« weisen auch auf die Gegenwart. Warum keine komplette Autobiografie? Ach, nein, nein, da wehrt Hein schnell ab: »Ich stecke ja in allen meinen Arbeiten und komme eigentlich in jedem Buch drin vor.«
Zuletzt widersprach der »Spiegel« einer von Hein beschriebenen Episode. Der Autor hatte einen Korrespondenten als »Schurken« bezeichnet und ein Interview nach der Wende beschrieben: »Wir haben leider nichts gegen Sie in der Hand«, soll der Journalist zur Gesprächseinleitung gesagt haben. Er hatte nichts journalistisch Verwertbares in Heins Stasi-Akten gefunden. Der »Spiegel« recherchierte nach, es ging darum, wann und mit wem das Interview geführt worden sei. Hein muss nun sachliche Fehler korrigieren.
Zuvor hatten schon seine Einlassungen zum oscarprämierten Film »Das Leben der Anderen« für Irritationen gesorgt, den Hein ein »Gruselmärchen« nennt. Er soll nach Aussage des Autors auf seiner Lebensgeschichte basieren, gebe diese aber nicht wirklich wieder.
Seit zehn Jahren lebt Christoph Hein in Havelberg, einer kleinen Stadt im Norden von Sachsen-Anhalt. Von seinem Wohnhaus hat er einen weiten Blick auf die Havel und die Flutgebiete. Dort kann er sehr gut arbeiten und schreiben, wie er sagt: »Das einzige, was mich stört, sind die Vögel. Da muss ich früh dann schon mal rausgehen und um Ruhe bitten.« Mit seiner Lebensgeschichte in der DDR hadert Hein offenbar nicht: »Für meinen Beruf war das alles sehr gut. Wenn alles wunderbar läuft, kann man ja nur noch über nette Liebesgeschichten schreiben. Ich konnte immer noch andere Geschichten aus meinem Leben erzählen.«