Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) beklagt den Missbrauch der friedlichen Revolution von 1989 für die aktuellen Corona-Proteste. „Es tut weh, wenn heute Demonstranten sich auf das berufen, was Teil der friedlichen Revolution gewesen ist, die eine Freiheitsrevolution war“, sagte Thierse im aktuellen Podcast der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.
Bei den aktuellen Protesten gegen staatliche Corona-Maßnahmen wird immer wieder der Slogan aus dem Herbst 1989 in der DDR „Wir sind das Volk“ skandiert. Vor allem eines sei 1989 gravierend anders gewesen: In der DDR habe es kein Versammlungsrecht gegeben. Zudem hätten die Demonstranten von damals niemanden beschimpft. „Wir waren ausdrücklich friedlich, es gab keine Gewalt von Seiten der Demonstranten“, sagte Thierse. Bei den Corona-Protesten aber sei so viel Hass und Wut, verbunden mit regelrechten Gewaltausbrüchen. Es gehe darum, die Demokratie in Frage zu stellen.
Die Unterschiede seien so groß, aber er wisse auch, dass es „auf den Begriff Montagsdemonstrationen kein Copyright gibt“, den könne jeder in Anspruch nehmen. Thierse rief dazu auf, dass sich die „sehr deutliche Mehrheit“, die für die Corona-Politik ist, auf den Straßen und Plätzen „gelegentlich deutlich zeigt“. Die Verteidigung von Demokratie sei „nie nur Sache der Politik, sondern Sache der Bürgergesellschaft“, sagte er.
Der SPD-Politiker begrüßte die Initiative im sächsischen Bautzen, die für Freitag zu einem stillen Lichterzug durch die Altstadt aufgerufen hat. Kerzen und der Ruf „Keine Gewalt“ – das sei die Tradition der friedlichen Revolution, sagte er.