Die Sächsische Landesbibliothek in Dresden hat neun kriegsbedingt verschollene Bücher aus der Reformationszeit zurückerhalten. Es handele sich um wertvolle reformatorische Schriften aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, sagte der Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), Achim Bonte, am Mittwoch bei der Übergabe in Dresden. Ein Band enthalte eine eigenhändige Widmung von Johannes Bugenhagen (1485–1558), ein Wegbegleiter Martin Luthers. Zum Teil sind die wuchtigen Bände mit farbig gemalten Bildern illustriert und in Leder eingebunden.
Die Bücher waren bisher Teil der zahlreichen Kriegsverluste der Bibliothek. Entdeckt hatte sie im Juni 2018 der Direktor des Museums Alte Pfefferküchlerei in Weißenberg bei Bautzen, Sebastian Walther. Beim genaueren Durchforsten des Museumsdepots sei er zufällig auf die Werke gestoßen, sagte der Historiker. Ein Blick in den digitalen Katalog der Kriegsverluste der Dresdner Bibliothek habe seinen Verdacht, es könnte sich um Teile des Bestandes handeln, schnell bestätigt.
Die Bücher lagerten ihm zufolge unverpackt in der Mitte eines bis unter die Decke gefüllten Regals auf dem Dachboden des Museums in einem Fachwerkhaus und sind auch in der Farbigkeit gut erhalten. In dem eher kleinen Museumsdepot würden neben Dokumenten auch Backutensilien und andere Exponate aufbewahrt, sagte Walther.
Da die Pfefferküchlerei in der Oberlausitz ein Stadt- und Handwerksmuseum ist, seien theologische Schriften im Bestand durchaus ungewöhnlich. Für ihn sei es »erhebend« gewesen, solche Stücke plötzlich in der Hand zu halten. Die Rückgabe sei eine Frage des Anstandes. Die Werke seien nun nach Hause zurückgekehrt, dorthin, wo sie hingehören, sagte Walther. Generaldirektor Bonte bezeichnete den Historiker als »Held des Tages«.
Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörten zum Bestand der SLUB nach eigenen Angaben fast eine Million Objekte. Mehr als 200.000 Handschriften, Bücher und Karten seien im Krieg verbrannt, ebenso viele werden Bonte zufolge bis heute vermisst. Der Verbleib vieler Werke sei ungeklärt. Ein großer Teil sei nach Russland verbracht worden, wo die Dresdner Bibliothek in den vergangenen Jahren Bonte zufolge ehemalige Bestände zum Teil sichten und digitalisieren konnte.
Es komme immer wieder mal vor, dass einzelne Werke in die Sammlung zurückkehren, sagte die SLUB-Abteilungsleiterin für Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde, Jana Kocourek. Doch ein Fund dieses Ausmaßes sei etwas Besonderes. Zudem seien die Bände in einem konservatorisch guten Zustand. Für sie sieht es nach einer damaligen Rettung aus, weniger nach einer Plünderei.
Wer die Bände offenbar nach dem Krieg letztlich an sich genommen hat, ob es etwa ein Pfarrer war, darüber könne derzeit nur spekuliert werden. Die Geschichte der Bücher könnte möglicherweise noch erforscht werden, sagte Kocourek.
Die jetzt im Museum wiederentdeckten Schriften lagerten während des Krieges mit hoher Wahrscheinlichkeit in Schloss Gröditz nahe Weißenberg (Landkreis Bautzen). Dort seien 268 Kisten mit Beständen aus der Sächsischen Landesbibliothek untergebracht gewesen, sagte Kocourek. Die Bibliothek hatte ihre Sammlung an insgesamt 18 Orten ausgelagert.
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