»Verstörend«
Landeskirche gibt Erklärung zum Rücktritt des Landesbischofs abZwei Tage nach dem überraschenden Rücktritt des sächsischen Landesbischofs Carsten Rentzing und ein Tag nach Bekanntwerden früherer nationalistisch-demokratiefeindlicher Äußerungen Rentzings hat die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens heute eine Erklärung zur Sache abgegeben.
Darin werden Betroffenheit über das Rücktrittsgesuchs des Landesbischofs geäußert und die nun anstehenden Schritte erklärt. Die Kirchenleitung werde in ihrer Sitzung am 21. Oktober entscheiden, wie sie mit der Rücktrittsankündigung Rentzings umgehe. Es wird darauf hingewiesen, dass ein Landesbischof aus dem Amt ausscheiden darf und ein anderes Amt übernehmen kann. Stehe ein solches Amt nicht zur Verfügung, könne die Versetzung in den Wartestand erfolgen. Aktuell sei der Landesbischof im Urlaub und weiterhin formal im Amt. »Eine Entscheidung über den Zeitpunkt und die Bedingungen des Ausscheidens aus dem Amt muss die Kirchenleitung fällen«, heißt es. Derzeit füllt der Stellvertreter des Landesbischofs, Oberlandeskirchenrat Thilo Daniel, die leitende geistliche Funktion der Landeskirche aus.
Zu den Vorwürfen gegenüber Carsten Rentzing heißt es:
»Seit seiner Ordination und während seiner Amtszeit als Pfarrer und Landesbischof unserer Landeskirche ist Dr. Rentzing mit klaren konservativen Positionen aufgetreten, aber über eine rechtsextreme oder nationalistische Denkweise ist in der kirchlichen Öffentlichkeit nichts bekannt geworden. Umso verstörender sind Texte, die Dr. Rentzing in seiner Zeit als Student veröffentlicht hat. Von diesen Texten haben einzelne Mitglieder der Kirchenleitung am 10. Oktober, die gesamte Kirchenleitung am 11. Oktober erstmals Kenntnis erhalten.«
Da die Kirchenleitung davon ausgeht, dass der Glaube an Jesus Christus Menschen verändern könne, halte sie die Distanzierung des Landesbischofs von seinen Positionen vor 30 Jahren in Anbetracht seiner Arbeit in unserer Landeskirche für glaubwürdig. Die Kirchenleitung habe aber auch die Problematik gesehen, dass eine solche öffentlich gewordene Vergangenheit das Handeln als Landesbischof und Repräsentant der Landeskirche gegenüber der Öffentlichkeit nachhaltig beeinträchtigen würde.
Landesbischof Rentzing habe vor der Kirchenleitung eine Erklärung abgegeben, in welcher er auch auf die Texte eingegangen sei und auf Rückfragen dazu geantwortet habe. »Er stellte es so dar, dass er diese Zeit in seinem Leben und diese Texte verdrängt habe und äußerte großes Unverständnis und Scham über das, was er damals geschrieben hat«, heißt es in der Landeskirchen-Erklärung. Ob der Landesbischof gegenüber der Öffentlichkeit selbst noch zu diesen Texten Stellung nehmen werde, müsse ihm überlassen werden. Momentan sei er dazu nicht in der Lage.
Darüber hinaus gebe es für die Landeskirche keinen Anlass, sich an Spekulationen über die Motive zu beteiligen. Dies gebietet der Respekt vor dem Landesbischof, seinem unermüdlichen Ruf um Einheit für unsere Kirche und dem für ihn persönlich schwerwiegenden Schritt.
Zu den Texten und den erhobenen Vorwürfen gegenüber Landesbischof Dr. Rentzing nimmt das Landeskirchenamt wie folgt Stellung:
»Es ist zutreffend, dass in den Jahren 1989 bis 1992 der damalige Philosophie-, Jura- und Theologiestundent Carsten Rentzing im Alter von 22 bis 25 Jahren Texte in der Zeitschrift »Fragmente« verfasst hat, die er mit herausgegeben hat. Diese Zeitschrift soll eine Auflage von etwa 100 Exemplaren gehabt haben und aus studentischem Engagement entstanden sein. Die der Kirchenleitung vorliegenden Texte sind als elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich einzustufen. Sie sind aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretbar.«
Die Bewertungen der Texte werde unterschiedlich ausfallen, so das Landeskirchenamt weiter. Sie fallen in eine Zeit, in der Carsten Rentzing auf der Suche und sein Weg ins Pfarramt nicht vorgezeichnet gewesen sei. Dies habe Carsten Rentzing mehrfach betont. Carsten Rentzing sei 1999 ordiniert worden und habe sich im Dienst seiner Kirche ausschließlich auf die Verkündigung der frohen Botschaft von Jesus Christus konzentriert. »Aus seiner Zeit ab Mitte der neunziger Jahre – der Zeit, in der Carsten Rentzing nach seinen eigenen Angaben den Weg ins Pfarramt zu gehen begann – sind uns keine vergleichbaren Texte bekannt. Uns ist nicht bekannt, ob sich aus der Teilnahme von Veranstaltungen oder durch Vorträge von Landesbischof Dr. Rentzing während seiner Amtszeit weitere Vorwürfe ergeben könnten. Sollte dies zutreffen, werden wir die Öffentlichkeit umgehend informieren.«
Für alle kirchenleitenden Personen seien die letzten Wochen eine schwere Zeit gewesen. Es sei für die Mitglieder des Kollegiums eine Frage der Loyalität und des Respektes, einen durch die Landessynode gewählten Landesbischof in seinem Amt auch in schweren Zeiten zu unterstützen. Die Mitglieder des Kollegiums bedauern sehr, dass eine solche Unterstützung sowohl aufgrund der Faktenlage, aber auch aufgrund des persönlichen Umgangs von Landesbischof Dr. Rentzing mit seiner Biografie in den letzten Tagen zunehmend schwieriger geworden sei. Aus diesem Grund zollen sie dem Schritt des Landesbischofs, sein Amt zur Verfügung zu stellen, großen Respekt. Dieser sei verbunden mit Dankbarkeit für den geleisteten Dienst in den letzten vier Jahren.
Zu der Petition und den Ereignisse der letzten Wochen heißt es:
»Mit der Petition ›Nächstenliebe verlangt Klarheit‹ haben Christen, unter ihnen auch Gemeindeglieder, Pfarrer und Mitarbeitende unserer Landeskirche, auf die ersten Veröffentlichungen zur Vergangenheit des Landesbischofs reagiert. Sie haben damit einer Sorge Ausdruck verliehen, die in unserer Landeskirche existiert und die gehört werden muss: nämlich der Sorge, dass sich die Kirche nicht genug von rechtsextremen, menschen- und demokratiefeindlichen Tendenzen abgrenzt.«
Und weiter heißt es:
»Unabhängig von den Bewertungen des Vorganges und der Person des Landesbischofs rufen wir zu Mäßigung in öffentlichen Stellungnahmen und zu einer geistlichen Haltung untereinander auf. Die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen zeigen die Zerwürfnisse in der Landeskirche, die alle Kirchenglieder beschäftigt und die Kraft des Zeugnisses der frohen Botschaft Jesu Christi schwächt. Kritiker und Befürworter unseres Landesbischofs sind durch ihn selbst dazu aufgerufen aufeinander zuzugehen.
Die Diskussionen und Debatten innerhalb unserer Kirche in den letzten Wochen spiegeln die aktuelle gesellschaftspolitische Situation in Sachsen wider, die auch am Ergebnis der Landtagswahl zu erkennen ist. Wir müssen uns weiter damit offensiv auseinandersetzen und zu einer klaren Bewertung bestimmter Positionen und ihres Verhältnisses zu unserem christlichen Glauben und den Grundlagen unserer Kirche kommen. Die gesamte Landeskirche mit all ihren Organen, den Kirchenbezirken und Kirchgemeinden wird daraufhin arbeiten, hierfür geeignete Formen, Mittel und Wege zu finden.«
Die Erklärung im Wortlaut:
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Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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