Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterhält in der Europahauptstadt ein Büro gleich neben der EU-Kommission. Auch der Evangelische Pressedienst (epd) ist in Brüssel vor Ort. Dr. Philipp Saure (epd) beantwortet die wichtigsten Fragen und erklärt, was die EKD in Brüssel macht und wie kirchliches Lobbying funktioniert.
Ist die EKD eine Lobby-Organisation?
Das Brüsseler EKD-Büro lässt sich als Lobby-Organisation beschreiben, insofern es Einfluss auf die EU-Politik nimmt. Daher ist es im Transparenzregister von EU-Kommission und Europaparlament eingetragen. Dieses verzeichnet »Gruppen und Organisationen, die Sonderinteressen vertreten«. Ihre Arbeit ist laut EU »ein legitimes und notwendiges Element des Entscheidungsprozesses«. Die Kirchen besitzen darüber hinaus mit anderen weltanschaulichen Gemeinschaften gemäß dem Lissabon-Vertrag einen besonderen Status: »Die Union pflegt mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog.«
Wer vertritt die EKD in Brüssel?
Das Brüsseler EKD-Büro hat derzeit zehn Beschäftigte, fünf davon besitzen als Lobbyistinnen einen Zugangsausweis für das Europa-Parlament. Leiterin ist seit 2008 die Juristin und Oberkirchenrätin Katrin Hatzinger. Das 1990 gegründete Büro ist eine Dienststelle des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Der Bevollmächtigte, der auch als »Kirchendiplomat« gilt, ist seit 2013 Prälat Martin Dutzmann. Er hat seinen Sitz in Berlin. Laut EU-Transparenzregister wurden die Kosten der EKD-Lobbyarbeit in Brüssel für 2018 auf zwischen 500.000 und 599.999 Euro geschätzt.
Welche Interessen vertritt die EKD bei der EU?
Zum einen kümmert sich die Kirche um ihre Eigeninteressen. So hat sich das EKD-Büro zum Beispiel bei der EU-Datenschutzgrundverordnung für Ausnahmen für die Kirchen eingesetzt. Beim kirchlichen Arbeitsrecht beobachtet das Brüsseler Büro etwa die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Der andere Bereich der Interessenvertretung – die EKD spricht von Sozialanwaltschaft – sind Schwache und Benachteiligte. Ein Hauptthema ist die EU-Asylpolitik. Zusammen mit der Diakonie Deutschland kümmert sich das Büro um soziale Anliegen. Bei ethischen Aspekten der EU-Forschungspolitik bringt sich die EKD ebenfalls ein, ferner beispielsweise in der Jugend- und der Verteidigungspolitik.
Wie läuft die Interessenvertretung in Brüssel konkret ab?
Das Büro versucht, möglichst früh von Gesetzesprojekten und anderen EU-Plänen zu erfahren und berichtet darüber an die EKD in Deutschland. Umgekehrt sucht sie Einfluss zu nehmen: Etwa durch schriftliche Eingaben, wenn die EU-Kommission im Vorfeld eines Vorschlag die Zivilgesellschaft konsultiert, oder durch Gespräche mit Parlamentariern, wenn das Gesetz auf den Weg gebracht wurde. Bei Veranstaltungen bringt die EKD Stimmen von außen wie Theologen und Sozialforscher mit den EU-Entscheidern zusammen. Oft zieht die EKD bei ihrer Lobbyarbeit mit Partnern wie der ökumenischen Konferenz Europäischer Kirchen, der katholischen Kirche, Gewerkschaftern und Menschenrechtlern an einem Strang.
Was sagen andere?
Die EU-Kommission gibt grundsätzlich keine Auskunft, wie Interessenvertreter an sie herantreten und ihre Anliegen platzieren. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold, Lobbyismus-Experte seiner Fraktion und zugleich Präsidiumsmitglied des Evangelischen Kirchentags, hat nach eigener Aussage noch kein »klassisches Lobbying« seitens der EKD erlebt. Verbände und Nichtregierungsorganisationen würden typischerweise Meinungsführer und ihren Anliegen gegenüber aufgeschlossene Parlamentarier identifizieren. Diese versuchten sie dann systematisch zu treffen – auch unabhängig von konkreten Gesetzesprojekten. Während das Brüsseler EKD-Büro sehr gute Arbeit leiste, sollte ein solches klassisches Lobbying auch den Leitungen der Landeskirchen obliegen, meint Giegold.
Welche Aufgabe hat das Brüsseler EKD-Büro noch?
Im Büro hat auch eine Servicestelle EU-Förderpolitik von EKD und Diakonie ihren Platz. Sie berät kirchliche und diakonische Einrichtungen zu EU-Fördergeldern für ihre Projekte. Darüber hinaus kooperiert die EKD mit der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej): Eine Mitarbeiterin arbeitet als Referentin für Bildung und Jugend in Brüssel mit. Das Büro versteht sich ferner als europapolitische Denkfabrik der EKD und wirkt, wie aktuell mit einer Handreichung zur Europawahl, als Vermittler des europäischen Gedankens.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.