Der Preis des Geldes
Griechenlandkrise, Schuldenkrise, Bankenkrise: Überall geht es um Kredite und Zinsen. Und um das Leben von Millionen. Die Bibel sagt Eindeutiges dazu – nur hört es kaum einer.
Plötzlich war der Finanzminister da. Es war der erste Abend des G7-Finanzgipfels in Dresden Ende Mai, Griechenland das heimliche Topthema. Und Wolfgang Schäuble fuhr in die Dreikönigskirche, um das Wort Gottes zu hören. Es steht geschrieben im 3. Buch Mose, Kapitel 25: »Und du sollst zählen sieben Sabbatjahre, siebenmal sieben Jahre«, steht da. »Es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen.«
Ein göttlicher Schulden-Schnitt. »Man wird die Probleme des globalisierten Finanzsystems nicht umstandslos durch den Rückgriff auf biblische Zeiten vor 3000 Jahren lösen können«, predigte Sachsens Landesbischof Jochen Bohl auch dem deutschen Finanzminister. »Die Bibel macht deutlich, dass es ein Gebot der Humanität ist, die Schuldner als Mitmenschen, als Nächste zu sehen und sich ihnen zuzuwenden.«
Bohl plädierte wie die von vielen Christen mitgetragene Kampagne erlassjahr.de für ein faires Insolvenzverfahren für Staaten. Wenige Tage später auf dem Stuttgarter Kirchentag soll sich der Bundesfinanzminister dieser Idee gegenüber nicht abgeneigt gezeigt haben.
Während Familie und Sexualität mit hoch wogenden Gefühlen an der Bibel gemessen werden, bleibt es bei Geldfragen merkwürdig ruhig – obwohl Schulden- und Bankenkrisen ebenso wie mangelnde Gerechtigkeit Millionen Menschen weltweit ganz hautnah berühren. Und obwohl die Bibel in diesen Geldfragen überaus eindeutig ist. Eindeutig kritisch.
Nicht nur bei Schulden, sondern auch beim Zins. Und die biblischen Autoren wurden im Laufe der Jahrhunderte immer kritischer. Denn es begann sich in ihrer Zeit eine Wirtschaft zu entwickeln, in der Geld und Boden zur Handelswaren wurden – und die Reichen immer reicher, die Armen aber immer ärmer. Die von Gott gewollte Gerechtigkeit zerriss.
Im ältesten biblischen Zinsverbot galt der Schutz vor Wucher erst nur dem unmittelbar Nächsten und wurde dann ausgeweitet auf das ganze Gottesvolk (Mose 22,24). In später entstandenen Texten gilt es dann sogar für Kredite an Fremde und Einwanderer (3. Mose 25, 35). Die Propheten und Psalmdichter waren auch da radikal: Als gerecht vor Gott könne nur gelten, »wer sein Geld nicht auf Zinsen gibt« (Psalm 15,5; Ezechiel 18,8). »Wehe dem, der sein Gut mehrt mit fremdem Gut – wie lange wird’s währen? – und häuft viele Pfänder bei sich auf!«, drohte der Prophet Habakuk.
Die Aussage der Tora: Im für beide Seiten gewinnbringenden Handel mit Ausländern sind Zinsen erlaubt – aber niemals für Menschen in Not (5. Mose 23,20). Selbst Jesus forderte – wenn er auch den Zins nicht ausdrücklich verteufelte – kurz nach den Seligpreisungen: »Tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein« (Lukas 6, 35). Auch der Koran hat das Zinsverbot in seiner dritten Sure übernommen.
Heute sind es zumeist islamische Banken, die sich um ein Umschiffen des Zinses bemühen. In diesen Wochen eröffnet erstmals ein solches Institut Filialen in Deutschland. In christlich geprägten Volkswirtschaften und in Kirchen macht man sich indes kaum noch Sorgen um das Zinsverbot.
Für die Ökonomie ist es ein Glaubenssatz, dass Investitionen ohne Kredite nicht möglich sind – und kein Mensch Geld ausleiht ohne die Belohnung durch Zinsen. Sie sind der Preis des Geldes. Wer auf dessen dunkle Seite verweistv – dass Zinsen auch das zerstörerische Wirtschaftswachstum befeuern sowie Schuldenkrisen und das Auseinanderdriften von Arm und Reich – wird eher belächelt. Dabei hat sich manches seit 3000 Jahren gar nicht so sehr geändert.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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