Mit Weniger Kirche bauen
Schrumpfen: Wie kann Kirche mit viel weniger Geld und Personal lebendig bleiben? Der SONNTAG sucht in einer Serie nach Antworten – und hört aus der Wissenschaft Erstaunliches.
Die sächsische Landeskirche steht vor einer Richtungsentscheidung, doch ihr scheinen Wegweiser zu fehlen. Als die Kirchenleitung Ende Oktober eine Zukunftsstrategie mit der Prognose von 40 Prozent weniger Gemeindegliedern, Einnahmen und Personal bis zum Jahr 2040 vorlegte, sorgte das in Gemeinde und Synode für viel Kritik. Und viele Ängste. Aber gibt es Alternativen? Von ihnen ist bislang wenig zu hören.
Der SONNTAG eröffnet deshalb ein »Zukunftslabor Kirche«. Eine Serie soll in den kommenden Wochen nach neuen Wegen für eine Kirche mit viel weniger Geld und Personal suchen, nach gelungenen Beispielen und geistlichen Impulsen.
In der akademischen Theologie ist die Suche nach neuen Modellen für eine ausgedünnte Kirche bisher nahezu ein blinder Fleck. In den vergangenen Monaten aber haben Theologen der Universitäten in Greifswald und Bonn unter dem Titel »Freiraum und Innovationsdruck« bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig zwei Studien dazu veröffentlicht. Ihr Fazit: »Es besteht kein Grund mehr, sich vor den Entwicklungen der Ressourcenverringerung in der Gesamtkirche grundsätzlich zu fürchten. Denn auch in solchen Lagen lässt sich Kirche bauen und christlich leben.«
Zehn Beispielgemeinden auf dem Land haben die Bonner Wissenschaftler um Professor Eberhard Hauschildt untersucht. Darunter einen Riesenverbund von 28 Kirchgemeinden nördlich von Zeitz, eine von einer ehrenamtlichen Kirchenkuratorin geleitete Gemeinde und das Modell von Reise-Pastoren in Finnland. Die Greifswalder vom Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung betrachteten zwölf kirchliche Landprojekte und fragten: Ist auch im Schrumpfen noch Wachstum möglich?
Erste Erkenntnis: Das eine Erfolgsrezept gibt es nicht – und schon gar nicht kann es entstehen, wenn der Plan von oben oder außen kommt. Die Wissenschaftler plädieren dafür, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in verschiedenen Regionen ernst zu nehmen. »Wer Experimente mit offenem Ausgang gerade da, wo es wie bisher nicht mehr weitergeht, nicht zulässt, wird weniger als möglich lernen«, lautet eine ihrer Schlussfolgerungen. »Eine wichtige Aufgabe der Landeskirchen ist, dieses Lernen zuzulassen und zu fördern.«
Nähe vor Ort und die Bündelung in größeren Einheiten müssen dabei keine Gegensätze sein, wenn die Zusammenarbeit von unten wachse und die Vorteile allen Beteiligten deutlich werden, so die Forscher. Was beide Studien auch zeigen: Hauptamtliche Mitarbeiter und landeskirchliche Strukturen bleiben wichtig. Sie ermöglichen die neuen Wege erst. Und sie sind keine Konkurrenz zum allgemeinen Priestertum aller Gläubigen – sondern beide fördern sich im besten Fall gegenseitig. Freilich in neuen Rollen. Ehrenamtliche kommen zunehmend in die Schlüsselpositionen der Gemeinden, so die Bonner Studie, während Pfarrer, aber auch Gemeindepädagogen, Kirchenmusiker, Verwaltungskräfte sowie kirchliche Bau- und Rechtsspezialisten sie begleiten und beraten.
Ein Abschied auf Raten aus den Dörfern? Im Gegenteil: Kleinstformen von Gemeinde müssten theologisch aufgewertet und kirchlich gefördert werden, fordern die Bonner Wissenschaftler.
Nicht zuletzt liege darin auch eine Chance, neue Menschen zu erreichen. Die Greifswalder Forscher waren erstaunt, wie stark missionarische Gemeindeprojekte auf dem ausgedünnten Land mit der diakonischen Tat verbunden waren. Offenbar wissen die Menschen in den Dörfern selbst am besten, was nottut. Für ihre Kirche und auch im Ort. Und das kann ausstrahlen.
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Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna