»Der öffentliche Diskurs ist nie perfekt«
Sächsische Landeszentrale feiert 30-jähriges BestehenDie sächsische Landeszentrale für politische Bildung hat am Montag mit einer Onlineveranstaltung ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck rief in seinem Festvortrag zu unbedingter Meinungsvielfalt und Toleranz im demokratischen Diskurs auf. Pluralität müsse ausgehalten werden – mit Toleranz und Respekt, sagte Gauck bei der Liveveranstaltung, die aus der Hochschule im mittelsächsischen Mittweida übertragen wurde. „Kontroversen sind kein lästiges Übel, sondern notwendige Voraussetzung“, betonte Gauck, „Demokratie darf Unterschiede nicht glatt bügeln.“ Es dürfe keine Ausgrenzung von unbequemen Meinungen geben. Da gelte es, das richtige Maß zu finden. „Der öffentliche Diskurs ist nie perfekt“, sagte der Theologe und frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen. Aber „Verengungen“ in der Debatte, die zu früh gezogen werden, erzeugten Frustration. Er rate daher, in unbequemen Debatten „nicht zu früh mit Angst zu reagieren“. „Wir brauchen die Menschen als Debattenpartner“, sagte Gauck, „wir müssen ein respektvolles Miteinander hinbekommen.“ Dabei brauche es auch „den Mut zu einer einfachen Sprache“, sagte Gauck. Denn Aufklärung sei „nicht die Befriedigung der Bedürfnisse der Gebildeten“. Gefragt sei vielmehr „eine erhellende Vereinfachung“. Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung wurde am 1. Juli 1991 in Dresden gegründet.
Sachsens Justiz- und Demokratieministerin, Katja Meier (Grüne), bezeichnete sie als wichtigen Partner bei der Aufgabe, Menschen zur Mündigkeit und zur Teilhabe in einer Demokratie zu befähigen. Die Landeszentrale habe es immer wieder geschafft, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Als Beispiel nannte sie das Jahr 2015, als die „Pegida“-Bewegung enormen Zulauf hatte.
Die „Zeit“-Journalistin Anne Hähnig betonte, sie erwarte von politischer Bildung „ein sehr feines Gespür dafür, welche Themen in der Bevölkerung gerade virulent sind“. Auch sie plädierte dafür, in die Kontroversen zu gehen. „Wir müssen Debatten führen und hinnehmen, dass Leute sich zu Wort melden, die uns vielleicht nicht passen“, sagte Hähnig. Die Digitalexpertin Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Club, beklagte fehlende Medienkompetenz. Unter anderem müsse stärker über Manipulationen von Internetplattformen aufgeklärt werden. „Wer die Demokratie schützen möchte, muss die Debattenräume schützen, auch die digitalen“, sagte Gauck. Politische Bildung müsse Bürgerinnen und Bürger zur Reflexion, Verantwortlichkeit und Zivilcourage befähigen.
„Aufklärung ist das Ziel unserer gesamten Arbeit“, sagte der Direktor der sächsischen Landeszentrale, Roland Löffler. Menschen müssten abgeholt werden – in ihren Räumen, mit ihren jeweiligen Themen. „Wir sind ein stückweit Prozessbegleiter“, sagte er, etwa aktuell beim Strukturwandel in der Lausitz. Ganz allgemein wünsche er sich noch mehr Zivilcourage in der Gesellschaft. „Es kann kein Zurücklehnen geben“, sagte er.
Einen Mitschnitt der Veranstaltung mit Joachim Gauck können Sie hier sehen:
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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