Vom Fragen, Glauben und Zweifeln
Der Leipziger Maler Michael Triegel wird 50 Jahre altMit den mächtigen Altären ist er erst mal durch. Dafür steht gerade ein zierliches Porträt auf der Staffelei in Michael Triegels Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei: Ein alter Mann mit weiß-grauem Rauschebart und ferrariroter Schirmmütze richtet einen so warmen wie durchdringenden Blick auf den Betrachter.
»Ein römischer Bettler«, erklärt Triegel, womöglich Teil einer neuen Serie, die ihm gerade wichtig sei: »Eben nicht den Papst zu malen«, sagt er, »sondern meine an der Renaissance geschulte Technik zu nutzen, um diesen Menschen eine Würde zu geben, so dass man gar nicht merkt, dass das ein Bettler ist, sondern es auch der Heilige Petrus sein könnte.«
Triegel wurde 1968 in Erfurt geboren und wuchs in der DDR auf, viel religionsfeindlicher dürfte es nicht gehen. Doch knapp 50 Jahre, ein halbes Dutzend Kirchenaltäre und zwei Papst-Benedikt-Porträts später gilt er als der zeitgenössische Kirchenmaler schlechthin, als der »Papstmaler«. Dann lässt er sich auch noch taufen, praktiziert seit rund vier Jahren sehr aktiv seinen katholischen Glauben. Kurz vor seinem 50. Geburtstag am 13. Dezember wirkt Triegel ganz so, als wäre er bei sich.
Es war zunächst die Prägung durch das bröckelnde Grau-Schwarz der DDR, die in Triegel die Faszination für die Schönheit der Renaissance-Kunst weckte, vor allem durch die Malerei der alten Meister. Dazu die Sehnsucht, auszubrechen »aus der Enge und Dummheit des täglichen Lebens in der DDR«, wie er erzählt, und der Wunsch, »das Mutterland der Renaissance, die mich so begeistert hat, zu besuchen«.
Die Mauer fällt. Triegel fährt nach Rom, Florenz, Venedig – und sieht sie alle im Original. Raffael, Caravaggio, Altarbilder in Kirchen. »Ich habe dort zum ersten Mal gemerkt, dass Kunst kein Selbstzweck ist«, sagt er, »sondern immer auch eine Funktion hat. Das hat mich seitdem geprägt.« In der Folge orientiert er sich stark an den klassischen Schönheitsidealen seiner Vorbilder – was ihm mehrfach den Vorwurf des Kitsches einbrachte. Dabei sei Schönheit nun mal Teil der Welt, sagt Triegel.
Beim Studium der Renaissance-Malerei habe er zudem festgestellt, »dass viele Probleme, mit denen wir uns auch heute herumschlagen, schon vorhanden waren«. Renaissance, Reformation, Aufklärung - »eine enorme Befreiung«, sagt Triegel. Doch gründeten für ihn dort auch Entwurzelung und Haltlosigkeit des modernen Menschen. Etwas sei damals verloren gegangen, auch religiös, sagt der Maler.
Bis heute ist Triegel mindestens einmal im Jahr in Rom. Damals war ihm die örtliche Kunsthochschule zu provinziell. So hält er an seinem noch vor der Wende gefassten Plan fest: Wenn schon in der DDR Kunst studieren, dann nur in Leipzig, im Umfeld der Neuen Leipziger Schule. Von 1990 bis 1995 lernt er bei Arno Rink und Ulrich Hachulla.
Thematisch beschäftigen Triegel seit je die antiken Mythen, Kulte, Religionen. Sie erzählten von »Einsamkeit, Todesangst, Freundschaft, Verrat, Sehnsucht nach Erlösung, Liebe. Das hat auch oft etwas mit mir zu tun«, erklärt der Maler, denn: »Ich kann nur das malen, was mich beschäftigt und bewegt.«
Einen Teil dessen beschreibt Triegel als »ein Gefühl der Leere, die besetzt werden wollte; als Wunsch nach Ausrichtung, Utopie, einem Vaterbild«. Und nach dem Sich-Öffnen für die Religion: »Die Sehnsucht, glauben zu können, gab es über Jahrzehnte.« Dem Glauben näherte er sich, wie er erzählt, dennoch lange zu verkopft, sagte sich häufig: »Unbefleckte Empfängnis? Auferstehung? Das geht doch nicht!«
Dass er 2004 sein erstes Sakralwerk malt, ist wohl einer Empfehlung des berühmten DDR-Künstlers Werner Tübke (1929–2004) geschuldet. Der lehnte, gesundheitlich angeschlagen, einen Auftrag für eine Altar-Predella – eine Art Sockel zwischen Altartisch und Altarbild – in einer Kapelle in Langreder bei Hannover ab. »Am Telefon hat Tübke angeblich gesagt, rufen Sie den Triegel an, der ist der einzige, der noch malen kann, oder so was in der Art«, berichtet Triegel schmunzelnd. »Ob's stimmt, weiß ich nicht.«
Triegel malte Symbole für den Opfertod Christi und das Abendmahl – Lamm, Brot, Wein. Es folgten Altarbilder in der Dorfkirche im niedersächsischen Grave, in Ebern und Baunach in Franken. Seine Auftraggeber, sagt er, begründeten sein Engagement so: »Du malst laufend deine Zweifel und deine Sehnsüchte, und genau das wollen wir. Wir wollen nicht nur die Bestätigung dessen, was wir ohnehin glauben, sondern deine Fragen. Und das ist es letztlich«, sagt Triegel, »worum es in der Kunst geht.«
Und im Leben, im Glauben? Den Weg zu seiner Taufe 2014 beschreibt Triegel als »unspektakulär«: Loser Kontakt zu einem Jesuiten, eine Einladung, an Exerzitien teilzunehmen – »und nach 14 Tagen hatte ich das Gefühl: Es rutschte vom Kopf ins Herz.«
Bleiben die Bildnisse Benedikts XVI., 2010 für das Bistum Regensburg, 2013 für die deutsche Botschaft im Vatikan. »Papstmaler« wird Triegel genannt. »Raffael«, kann er sich da echauffieren, »hat sehr viel mehr Päpste gemalt als ich. Und den würde nie jemand als Papstmaler bezeichnen.« Oder als Kirchenmaler. Überhaupt, angesichts von 450 Gemälden seien »ein paar Altäre marginal«.
Nach all den Großaufträgen stehen nun also kleinere Bilder an, von kleinen Leuten. Und der runde Geburtstag natürlich. Den feiert Triegel mit rund zwei Dutzend Gästen – und fast erwartet man es – in einem Barocksaal in Rom.
Impressionen Frühjahrssynode 2024
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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