Wer glaubt noch ans Buch?
Auch wenn die Leipziger Buchmesse wieder Hunderttausende anzieht: Gelesen wird immer weniger. Christen kann das nicht egal sein – denn ihr Glaube gründet sich nicht zufällig auf einem Buch.Es ist schon paradox: Die Leipziger Buchmesse wird in der nächsten Woche womöglich mit über einer Viertelmillion Besuchern wieder einen Rekord einfahren – doch das Schmökern wurde in den letzten Jahren auf der Hitliste der häufigsten Freizeitbeschäftigungen in Deutschland von der Gartenarbeit überholt. Ganz vorn liegen Fernsehen, das Internet holt auf.
Nur noch jeder fünfte Bundesbürger liest oft nach Feierabend Bücher. Und auch wenn der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in seiner letzten Statistik 2014 die schier unüberschaubare Zahl von 73 863 Neuerscheinungen zählte: Es waren gut zehn Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das muss nur Bildungsbürger bekümmern? Auch Christen kann diese Entwicklung nicht gleichgültig lassen. Hängt ihr Glaube doch an einem Buch, das eigentlich eine ganze Bibliothek ist.
»Allein durch die Schrift!«, forderte Luther. Weil sich nur in ihr die ganze Tiefe Gottes spiegelt, und zwar in seiner verwickelten Geschichte mit den Menschen. Etwa in der Katastrophe des babylonischen Exils, als im sechsten Jahrhundert vor Christus die deportierte judäische Oberschicht in den Schriften der Vorväter und Propheten eine Antwort suchte. Was sie fand: den einen Schöpfergott, der um die Seinen ringt. So schuf sie die großen theologischen Bögen des Alten Testaments. Und eine Kultur der Hochschätzung des Lesens – mit viel Platz zwischen den Zeilen für die Erfahrungen der Leser. Und für Gott selbst.
Auch Jesus lebte von der Schrift, und nicht vom Brot allein (Matthäus 4, Vers 4). Er las in der Synagoge die Thora und sie blieb sein Rahmen, selbst wo er ihre Gebote radikal neu deutete. Der irdische Jesus war alles andere als ein frei schwebender Charismatiker, er war Leser. Kein Zufall, dass die Reformation anderthalb Jahrtausende später ohne Buchdruck nicht zu denken gewesen wäre.
Doch was passiert, wenn heute immer weniger Menschen Bücher lesen? Auf den ersten Blick nicht viel. Das Leseniveau in Deutschland ist hoch, verglichen mit anderen Ländern. Die Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger verzeichnet sogar ein verstärktes Interesse an Titeln mit theologischer Substanz und an Ratgebern; die Evangelische Verlagsanstalt Leipzig legt in diesem Jahr 180 Neuerscheinungen vor. Doch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels kennt die Fakten der gesamten Branche: 2014 ist der Umsatz erneut um 2,2 Prozent gesunken.
Das Buch ist auf dem Rückzug. Langsam, aber spürbar. Würde etwas fehlen? Ist nicht auch das Lesen im Internet Lesen? Eine Antwort kann man im Buch der Bücher finden, in der Bibel. Wer lange Texte wie sie liest, muss sich einlassen. Muss sich konzentrieren. Muss bereit sein, zu stolpern über anstößige Gedanken, Widersprüche auszuhalten, sich selbst zu prüfen, zu korrigieren. Dranzubleiben. Über lange Zeit. Weil sich oft erst im Rückblick ein Sinn ergibt. Weil der steinige Umweg plötzlich folgerichtig erscheint. Weil das Leben oft widersprüchlich ist. Und weil sich oft erst in diesen scheinbaren Widersprüchen eine Weisheit offenbart. Über die Menschen. Und über Gott.
Widersprüche sind anstrengend. Und Anstrengung ist nicht Trend. Was Trend ist: Einfachheit, Klarheit, Individualität. Was nicht passt, wird passend gemacht. Oder schnell weggeklickt. Im Internet geht das besonders leicht. Hier sucht man sich für seine Weltsicht eine Insel. Irritation ausgeschlossen.
Das Buch dagegen ist wie ein Ziegelstein. Wer anfängt zu lesen, geht ins Offene. Das Buch ist ein Stein des Anstoßes. Gott selbst hat das Buch gewählt, um sich in ihm finden zu lassen.
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Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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