Der ostdeutsche SPD-Politiker Wolfgang Thierse sieht in dem guten Abschneiden der AfD bei den Europa- und Kommunalwahlen im Osten einen Ausdruck von Wut und Demokratiemüdigkeit. Die Ergebnisse hätte er »in dieser Härte nicht erwartet«, sagte der frühere Bundestagspräsident am Montag in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd): »Das macht mich tief betroffen und traurig«, so Thierse.
Die Ostdeutschen wendeten sich von den alltäglichen Mühen der Demokratie ab und wollten jemanden, der »dreinschlägt«, sagte Thierse. »Es gibt offenbar eine große Sehnsucht nach radikalen Lösungen bei den großen Zukunftsfragen und die Rechtspopulisten bieten diese vermeintlich an«, sagte der SPD-Politiker. Es sei absurd, mit der AfD eine Partei gestärkt in das Europaparlament zu schicken, die die EU infrage stellt und keine konstruktive Politik auf ihrer Agenda habe. »Das kann nur der Ausdruck von Wut sein über eine tatsächliche oder vermeintliche Zurücksetzung, über eine tatsächliche oder vermeintliche Opferrolle«, sagte Thierse.
In der Auseinandersetzung mit der AfD sieht Thierse auch die Kirchen in der Pflicht. Bei der Höhe der Wahlerfolge in Ostdeutschland sei klar, dass auch viele Kirchenmitglieder für die Rechtspopulisten gestimmt haben müssen. Evangelische und katholische Kirche müssten sich deshalb viel stärker als bisher »sachlich und offen« mit der AfD auseinandersetzen, betonte der bekennende Katholik.
Bei seiner eigenen Partei sieht Thierse das Problem, dass es ihr anders als den Grünen nicht gelungen sein, sich mit einer starken Zukunftsemotion zu verbinden. »Wir müssen wieder unsere Identität finden«, sagte der frühere Bundestagspräsident. »Themen wie soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit müssen wir viel deutlicher in den Vordergrund stellen«, sagte Thierse. Die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre zeigten aber auch, dass das Wählerverhalten viel stärker als früher starken Stimmungsschwankungen unterworfen sei.
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