Pfarrer im Hungerstreik
Flüchtlinge: Weil er auf seine Beschwerden vom Landratsamt keine Antworten bekam, ging Pfarrer Jörg Michel in Bautzen in den Hungerstreik. Jetzt hat er Antworten, ist aber nicht zufrieden.
Die Nachricht vom Hungerstreik eines Pfarrers vor dem Landrats- amt Bautzen sorgte Ende Mai für Aufsehen. Pfarrer Jörg Michel aus Hoyerswerda wollte mit einem tageweisen Streik das Vorgehen des Bautzener Landratsamtes gegenüber Asylbewerbern anprangern. Seine Aktion richtete sich vor allem gegen die Arbeitsweise des Ausländeramtes. Michel ist Sprecher des Bürgerbündnisses »Hoy- erswerda hilft mit Herz« und Flüchtlingsbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises schlesische Oberlausitz.
Michel hatte nach eigenen Angaben im Januar und Mai eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Ersten Beigeordneten, Udo Witschas (CDU), eingereicht, aber vom Landratsamt keinerlei Reaktion darauf erhalten. Landrat Michael Harig (CDU) habe behauptet, dass die Beschwerde nicht eingegangen sei. Später hieß es, die Beschwerde sei zwar eingegangen, aber nicht mehr auffindbar. Mit dem Protest wollte der Pfarrer erreichen, dass ihm der Landrat antwortet. Dies geschah noch am gleichen Tag und Pfarrer Michel beendete seinen Hungerstreik.
Die Dienstaufsichtsbeschwerde wurde dann Anfang Juni »nach intensiver Prüfung beantwortet«, teilte das Landratsamt auf SONNTAG-Anfrage mit. »Die Vorwürfe haben sich in Summe als nicht zutreffend erwiesen«, heißt es dazu. Der Pfarrer ist damit nicht zufrieden und hat erwidert. Er wirft dem Beigeordneten unter anderem eine Verletzung des Datenschutzes vor. Witschas habe Unterlagen einer Asylbewerberfamilie, die durch die Kirchgemeinde Hoyerswerda-Neustadt betreut wird, an unbeteiligte Dritte ohne Schwärzung der persönlichen Daten der Familie weitergegeben.
Dies sei nur ein Beispiel von zahlreichen negativen Erfahrungen mit dem Ausländeramt, das in den Geschäftsbereich von Witschas fällt. Die Zusammenarbeit sei für die Bürgerbündnisse im Landkreis Bautzen, die sich seit 2014 für die Integration von Flüchtlingen einsetzen, »beschwerlich, mühsam, entmutigend«, erklärte Michel. Sein Hungerstreik sei »in dieser Lage angemessen«, sagte er, »weil sich Fälle der Ignoranz und Arroganz häufen«.
Der Verwaltungsleiter der Kirchgemeinde St. Petri Bautzen, Claus Gruhl, bestätigt Probleme mit den Behörden in der Stadt beim Thema Hilfe für Geflüchtete. »Zusammenfassend habe ich den Eindruck, dass es hauptsächlich Probleme mit deutscher Bürokratie, mangelnder Flexibilität und Überforderung sind, die damals wie heute Schwierigkeiten bereiten«, sagte Gruhl, der auch Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen im Stadtrat Bautzen ist. Mangelnde Digitalisierung in den Ämtern komme erschwerend hinzu. Trotzdem erlebe Gruhl bei den Mitarbeitern der Behörden Engagement und redliches Bemühen.
Pfarrer Michel ging es zudem um die Rückzahlung zweier Privatdarlehen der Kirchgemeinde an Asylbewerber in den Jahren 2019 und 2020. »Die Kirchgemeinde hatte damals unbürokratisch helfen wollen, um unter anderem eine Fahrt zum Ausländeramt nach Kamenz zu finanzieren«, hieß es vom Landratsamt. Eine Erstattung von Privatdarlehen sei jedoch durch das Ausländeramt rechtlich nicht möglich. Michel dagegen meint, dass Auslagen für ukrainische Flüchtlinge erstattet worden seien und macht auf ungleiche Bedingungen unter Geflüchteten aufmerksam.
Für die ausgereichten Darlehen der Kirchgemeinde habe der Landrat nun eine Erstattung zugesagt. »Ich bedaure sehr, dass für den Pfarrer der ausgerufene Hungerstreik das einzig probate Mittel zur Lösung der angesprochenen Probleme zu sein scheint«, erklärte Harig. Zugleich erneuerte der Landrat sein Gesprächsangebot an den Pfarrer. Pfarrer Michel möchte jedoch eine öffentliche, große Gesprächsrunde mit Flüchtlingsinitiativen, Kreistag und Medien. Aber das wird es mit Landrat Harig nicht mehr geben. Er habe darauf »mit Blick auf das nahe Ende seiner Tätigkeit als Landrat ablehnend reagiert und gebeten, ein solches mit seinem Nachfolger im Amt vorzunehmen«, heißt es aus dem Landratsamt.
Große öffentliche Gespräche zu strittigen Themen der Lausitz wird es mit Pfarrer Jörg Michel aber zum Lausitzkirchentag in Görlitz geben. In der Alten Synagoge wird er am 25. Juni das thematische Zentrum »Lebendige Lausitz« begleiten. Themen sind etwa Wandel nach der Kohle, Lausitzer Identitäten, Grenzerfahrungen sowie »Mensch und Wolf – Miteinander in Gottes Schöpfung«.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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