Gemeinde anders bauen
Modellgemeinde: 2011 wurde die Luthergemeinde Zwickau mit Projektpfarrer Jens Buschbeck zur Modellgemeinde der Landeskirche. Nun ist Jens Buschbeck vorzeitig im Ruhestand – und die Gemeinde erfolgreich auf eigenen Füßen.Einladung und Mitwirkung, das sind die Stichworte für die Luthergemeinde Zwickau. Sieben Jahre lang hat Pfarrer Jens Buschbeck die »Kirchgemeinde mit Modellcharakter« der Landeskirche in diesem Sinne in der Zwickauer Bahnhofsvorstadt aufgebaut, »aufgepfropft«, wie er sagt. An vielen Orten hat er für dieses Modell geworben, hat über seine Gemeindearbeit gesprochen, Anregungen gegeben. Ab 2018 kamen die Jahre der Bewährung – für die Gemeinde und für ihn selbst. Die Projektstelle endete, der Theologe war plötzlich, wegen Vakanzen, für alle Gemeinden im Kirchspiel Zwickau Nord zuständig. Während sich die Luthergemeinde gut entwickelte, wurde Jens Buschbeck zunehmend krank: Depressionen, Burnout. Im Sommer wurde er mit 56 Jahren in den Ruhestand verabschiedet.
Jens Buschbeck macht daraus kein Geheimnis. Ruhig und leise erzählt er von seiner Krankheit, von Überarbeitung und Überlastung. Der leidenschaftliche Bassist, der gerade von einer zwölfwöchigen Rehabilitation zurück ist, schlägt nun die dunkleren Töne an und meint, dass von den immer größeren Strukturen der Gemeinden »Pfarrer und Mitarbeiter kaputtgemacht werden«. »Verheizen« nennt es der Vorsitzende der Gemeindevertretung der Luthergemeinde, Andreas Körnich. Als Mitglied der Landessynode ärgert ihn, dass die Strukturreform der Landeskirche bis heute nicht evaluiert sei.
Auch die Luthergemeinde ist davon betroffen. Zwar ist sie noch selbstständig, jedoch in einem Kirchspiel mit anderen Gemeinden. »Die Menschen identifizieren sich aber nur mit der Luthergemeinde«, sagt der Vorsitzende Andreas Körnich. Kein Wunder, denn in der Gemeinde läuft vieles anders und vor allem die Mitwirkung der Gemeindeglieder ist deutlich größer als üblich.
»Wir haben 2011 das gesamte Konzept der Gemeinde umgestellt«, blickt der Pfarrer zurück. Das Beteiligungsmodell mit der besonderen Teamstruktur der Luthergemeinde wurde verankert und komme ihr nachhaltig zugute. Die Leiter von elf Gemeindeteams sowie vom Trägerverein Sozialarbeit und vom Förderverein treffen sich regelmäßig und bilden den Rahmen für die Kirchgemeindevertretung. »Damit kann sich der Pfarrer auf sein Kerngeschäft konzentrieren«, meint Andreas Körnich, der seit 2014 die Gemeindeleitung übernommen hat.
Dank des Fördervereins der Gemeinde und vieler Spenden gibt es einen eigenen Gemeindereferenten. Pfarrer Buschbeck spricht von »einer Erfolgsgeschichte, dass eine Gemeinde einen Theologen, der als Gemeindepädagoge angestellt ist, finanziert«.
Jeder Gottesdienst wird zehn Tage vorher im Team besprochen und vorbereitet: die Lieder der Band, Anspiel, besondere Aktionen, auch die Predigt. »Alles aus einem Guss«, freut sich Jens Buschbeck über diese Vorgehensweise. Über 30 Prozent der knapp 500 Glieder zählenden Gemeinde kommen sonntags zum Gottesdienst.
Hier wird Jesus gefeiert, mit Lobpreis besungen, die Liedtexte erscheinen in der Lutherkirche auf Bildschirmen, zweisprachig, deutsch und persisch. Denn ein Markenzeichen der Gemeinde ist ihre Arbeit mit Flüchtlingen. 110 Taufen von ehemaligen Muslimen habe es in den vergangenen Jahren gegeben, sagt Andreas Körnich. Es gibt einen internationalen Bibelgesprächskreis, eine Kleiderkammer, Schach mit Flüchtlingen, Sozialarbeit, begleitet von einem Beauftragten für Flüchtlingsarbeit des Kirchenbezirks im Lutherheim. Einige der Geflüchteten sind mittlerweile selbst sehr aktiv in der Luthergemeinde, bis hin zur Gemeindevertretung.
Die Sozialarbeit im Stadtteil ist ein weiteres Markenzeichen der Gemeinde. Über einen Trägerverein werden 3,5 Vollzeitstellen finanziert und koordiniert. »Wir haben niedrigschwellige Angebote«, erzählt Andreas Körnich zum Beispiel von einer missionarischen Projektstelle der Landeskirche im Rahmen der Initiative »Kirche die weiter geht«. »Jesus in der Bahnhofsvorstadt« heißt das Projekt mit Mitmach-Angeboten auf Spielplätzen im Stadtteil. »Hier gibt es eine große Gruppe, die nichts mehr von Kirche wissen. Das ist ideal, wie ich finde«, sagt Schulleiter Andreas Körnich und sieht viel Bildungspotential. Das Ziel der Gemeindearbeit sei, zu den Menschen zu gehen, in den Stadtteil zu wachsen.
Die lebendige Gemeinde mit Kindern und Familien, die auch Jens Buschbeck und Andreas Körnich im Gottesdienst manchmal zu laut ist, gibt ihnen recht. Und auch die Nachfragen zur Modellgemeinde aus anderen Gemeinden, die der Vorsitzende der Gemeindevertretung gern beantwortet oder auch zu Beratungen fährt. Künftig will die Gemeinde noch stärker auf Hauskreise setzen, um sich stärker geistlich im Leben zu verankern. »Jetzt zeigt sich, dass das Konzept, das wir unter meiner Leitung aufgebaut haben, tragfähig ist«, bilanziert Jens Buschbeck. Seine Mitwirkung daran, so hat es der Kirchenvorstand entschieden, ist jedoch vorerst auf Eis gelegt.
Missionarische Projekte und Initiativen in der Landeskirche
Die Initiative »Kirche die weiter geht« der Landeskirche Sachsens fördert, begleitet und sammelt verschiedene missionarische Projekte und Aktionen. Neben geförderten Pfarr- und Projektstellen über mehrere Jahre sowie den missionarischen Pfarrstellen in jedem Kirchenbezirk werden regelmäßig auch Projekte mit dem Label »Kirche die weiter geht« ausgezeichnet. Parallel werden Veranstaltungen wie Inspirations- und Impulstage angeboten.
Im Internet bietet die Webseite der Initiative eine geografische Übersicht über die derzeit 42 verschiedenen Projekte, die bislang gefördert und ausgezeichnet wurden. Weitere Vorschläge für Projekte zur Auszeichnung sind gefragt. Koordinator ist Pfarrer Roland Kutsche.
Kontakt: Telefon (03 51) 46 92-244
E-Mail: kirche-die-weiter-geht@evlks.de
Web: www.kirche-die-weiter-geht.de
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