Herzen öffnen
Erinnert: Am 23. Februar jährt sich der Geburtstag Erich Kästners zum 125. Mal. Der humorvolle Pazifist zählt zu den populärsten deutschen Schriftstellern. Privat war er ein Mensch mit Brüchen.
Seine Kinderbücher haben Generationen begleitet. Mit Klassikern wie »Emil und die Detektive«, »Das doppelte Lottchen« und »Der 35. Mai« schrieb sich Erich Kästner (1899–1974) weltweit in die Herzen von Millionen Mädchen und Jungen. Seine Werke wurden in rund 70 Sprachen übersetzt und vielfach verfilmt, zuletzt »Das fliegende Klassenzimmer« 2023 und »Fabian oder Der Gang vor die Hunde« 2021. Der Pazifist war ein humorvoller Betrachter und ein scharfzüngiger Mahner, setzte auf Bildung und Humanität. Am 23. Februar jährt sich sein Geburtstag zum 125. Mal.
Kästner ging mit den Jüngsten auf Augenhöhe. Die Geschäftsführerin des Erich Kästner Hauses für Literatur in seiner Geburtsstadt Dresden, Andrea O’Brien, sagt: »Kästner öffnet Herzen«. Das liege an seinem großen Einfühlungsvermögen. Es gebe nur wenige Autoren, die so lebendig im Bewusstsein geblieben seien wie er.
Ein Grund dafür sei seine »wahnsinnig klare Sprache, obwohl sie vieldeutig ist«. Er habe auch politische Zustände auf eine einfache Art und Weise dargestellt. »Viele haben sich berührt und verstanden gefühlt«, sagt O’Brien, »für manche war es zu plakativ«.
Einer der versiertesten Kenner des Kästner-Werkes, der Literaturwissenschaftler und Publizist Sven Hanuschek, weiß um die Vielschichtigkeit des Autors. Die »Kinder- und Katzen- Onkel-Legende«, die seine langjährige Lebensgefährtin Luiselotte En- derle (1908–1991) so gern verbreitet habe, habe sich hartnäckig gehalten – bis in die späten 90er Jahre. Doch als posthumes Bild sei dies zu wenig glaubwürdig, sagt Hanuschek. Kästners Schaffen sei viel komplexer, auch privat ging er eher unkonventionelle Wege.
Dass er heute nicht nur als beliebter Kinderbuchautor wahrgenommen wird, sondern auch als ernst zu nehmender Romancier, Lyriker, Satiriker und Redner – daran hat sein Biograf Hanuschek einen wesentlichen Anteil. Zum Jubiläum legt der Experte nun seine aktualisierte Kästner-Biografie unter dem Titel »Keiner blickt dir hinter das Gesicht« vor. Kästner habe seine Kinderbücher auch für Erwachsene geschrieben, betont er. Er verhandle darin Grundwerte, auch politische Verhältnisse. So etwa könnten die getrennten Zwillinge im »Doppelten Lottchen« für das geteilte Deutschland stehen. Außerdem würden an einigen Stellen im Buch »Friedensverhandlungen« geführt.
Im Jahr 1927 ging Kästner von Leipzig, wo er bei der »Neuen Leipziger Zeitung« gearbeitet hatte, nach Berlin. In nur wenigen Jahren brachte er mehrere Bücher und Gedichtbände heraus, schrieb für Film und Kabarett. Doch dann sah der Autor sein Werk 1933 in Flammen aufgehen. Er war persönlich anwesend, als auch seine Bücher am 10. Mai in Berlin von den Nazis als »undeutsche Literatur« öffentlich verbrannt wurden.
Unter Pseudonymen schrieb er weiter. »Er hat versucht, unter dem Radar zu bleiben und irgendwie am Ball«, sagt O’Brien. Obwohl sein Werk offiziell verboten war und er unter seinem Namen nicht veröffentlichen durfte, emigrierte Kästner nicht wie viele seiner Autorenkollegen. Ein Grund dafür dürfte die enge Bindung zu seiner Mutter gewesen sein. Aber vor allem hatte er wohl die politische Situation falsch eingeschätzt: »Er hat sich einfach geirrt, dachte, es ist ein Spuk«, sagt sein Biograf. Die Kriegsjahre hat Kästner von 1941 bis 1945 dokumentiert. Im »Blauen Buch« habe er Erfahrungen aufgeschrieben und »versucht, die Propaganda zu durchdringen«, sagt Hanuschek. Einen Kriegsroman hat er aber nie geschrieben. Kästner verfasste nach 1945 unter anderem Chansons und Texte fürs Kabarett, war politisch engagiert, hielt Reden für Frieden und Abrüstung. 1949 erschien »Die Konferenz der Tiere«, in der Tiere sich für eine friedliche Zukunft einsetzen, weil die Menschen daran scheitern.
Privat sei auch er, dessen Bild oft so begradigt werde, ein Mann mit Brüchen gewesen, sagt Hanuschek. Einige Jahre pendelte der Unverheiratete zwischen zwei Frauen – der Schauspielerin und Mutter seines 1957 geborenen Sohnes Thomas, Friedel Siebert (1926–1986) in Berlin, und seiner Lebensgefährtin Enderle in München, der er seine Vater- schaft zunächst verschwieg. Kästner starb 1974 in München.
Bis heute sind längst nicht alle Texte des beliebten Autors bekannt. Laut O’Brien hat Kästner unter 70 Pseudonymen geschrieben. »Es gibt noch eine ganze Menge nicht bekannter Texte von ihm – auch sehr viele frühe«, sagt sie. Mit Überraschungen dürfe also immer noch gerechnet werden.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
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