Darwin oder Wallace?
Evolution: Neue Forschungen zeigen, dass nicht Charles Darwin, sondern Alfred R. Wallace die Evolutionstheorie entwickelt hat. Der Schriftsteller Anselm Oelze hat darüber einen Roman geschrieben. Ein Gespräch mit ihm über die Geheimnisse der Schöpfung, Ruhm und Gerechtigkeit.
Herr Oelze, wie sind Sie auf Wallace gestoßen?
Anselm Oelze: Das würde ich selbst gerne wissen. Er kam eher zu mir, als dass ich zu ihm kam. Ganz am Anfang stand die Idee, ein Sachbuch zu schreiben über Paare in der Wissenschaftsgeschichte, die dieselbe Entdeckung gemacht haben, aber nur einer ist bekannt geworden. Die Romanidee kam erst Jahre später.
Darwin hat mit der Veröffentlichung der Evolutionstheorie auch so lange gezögert, weil er Bedenken von Theologenseite gefürchtet hat.
Das hatte auch andere Gründe. Vor allem war er sich selbst gar nicht sicher, ob er schon eine konsistente Theorie zusammenhat.
Aber die Evolutionstheorie widerspricht ja schon dem Schöpfungsbericht der Bibel ...
Ja, in der Tat. Allerdings war zu der Zeit, als Darwin und Wallace diese Theorie entwickelten, die Idee, dass es nicht von Gott fix geschaffene Arten gegeben hat, schon in vollem Gange. Beide, Darwin und Wallace, haben sich selbst eher als Agnostiker eingeordnet. Ein Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass Darwin meinte, auch die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten des Menschen mit der Evolutionstheorie erklären zu können. Das ist Wallace schwergefallen, weil er sich zum Beispiel fragte, wozu in der menschlichen Entwicklung Mathematik gut sein soll. Das lasse sich nur erklären mit der Annahme, es gebe da doch noch etwas von außen, das irgendwie eingreift.
Heute gilt Darwin als Vater der Evolutionstheorie, nicht Wallace. Wallace selbst hatte damit offenbar kein Problem. Dennoch will der Held Ihres Romans ihn postum rehabilitieren. Handelt er nicht übergriffig?
Es ging mir genau darum, diese Frage zu diskutieren: Macht es Sinn, so jemanden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Wie hätte derjenige selbst sich überhaupt dazu verhalten? Wenn man zum Beispiel feststellt, Wallace hat das selbst gar nicht so schlimm gefunden, kann man auch das hinterfragen. War er tatsächlich ein nobler Wissenschaftler, dem es nicht um das eigene Fortkommen ging, sondern um die Entwicklung wissenschaftlicher Theorien? Oder war er einfach ein Mensch, der zu wenig Selbstbewusstsein hatte? Interessant fand ich, dass Wallace selbst in Briefen und in seiner Autobiografie darauf hinweist, dass er von anderen Leuten als sehr wenig selbstbewusst eingeschätzt worden sei.
Daraus ließe sich die Berechtigung oder Pflicht ableiten, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Genau. Weil er gewissermaßen selbst dazu nicht in der Lage gewesen ist.
Die Geschichte zu korrigieren – ist das letztlich auch die Motivation gewesen, einen solchen Roman zu schreiben?
Nein. Zumindest nicht bewusst. Die Motivation war eher die Ironie, die in Wallaces Lebenslauf lag, mit Blick darauf, dass er sich zeitlebens mit der Frage beschäftigt hat: Warum sind die Dinge so, wie sie sind? Diese Frage hat er für die Arten perfekt beantwortet. Mich hat gereizt, diese Frage für sein eigenes Leben zu stellen.
Oelze, Anselm: Wallace. Verlag Schöffling & Co 2019. 264 S., 22€. Erscheint am 5.2.
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