Dichter, Denker, Direktoren
Porträts deutscher Juden – Auszug aus dem aktuellen Buch von Ekkehard Vollbach
Abraham Mendelssohn Bartholdy (1776–1835) – der Sohn Moses Mendelssohns rang Zeit seines Lebens mit dem Schatten seines Vaters und dem Namen Mendelssohn. Der zu Wohlstand gelangte Bankier förderte die musikalische Erziehung seiner Kinder, vor allem seines Sohnes Felix.
Früher war ich der Sohn meines Vaters, jetzt bin ich der Vater meines Sohnes«, dieses sarkastische Wortspiel stammt von Abraham Mendelssohn, dem Sohn des berühmten Philosophen Moses Mendelssohn, den Zeitgenossen einen »deutschen Sokrates« nannten, und Vater des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, der von Robert Schumann als »Mozart des 19. Jahrhunderts« gefeiert wurde.
Ein Leben lang versuchte Sohn Abraham, dem Schatten des Vaters zu entkommen. Das war wohl neben dem Wunsch, in der deutschen Gesellschaft als gleichberechtigter Bürger leben zu können, auch ein Grund dafür, den Namen Mendelssohn mit dem Namen Bartholdy zu verbinden. Damit wollte er deutlich machen: Ich bin kein Jude und ich bin auch nicht wie mein Vater. Mit seinem verstorbenen Vater Moses Mendelssohn verband Abraham nur wenig. Er konnte weder akzeptieren noch verstehen, wie sein Vater Moses die Ideen und den Geist der Aufklärung mit der seiner Meinung nach archaischen Welt des Judentums in Einklang zu bringen versuchte. Sein geistiger Vater war Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), den er als »Lichtgestalt« der Aufklärung verehrte.
Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1786 lebte Abraham zunächst in Neustrelitz, später ging er nach Berlin, wo bereits sein älterer Bruder Joseph (1770–1848) als Buchhalter tätig war. 1795 gab Joseph Mendelssohn seine Stellung auf und gründete ein eigenes Bank- und Wechselgeschäft. Man wüsste gerne, was Abraham in dieser Zeit in Berlin trieb. War er in der Firma seines Bruders beschäftigt? Welche Ausbildung erhielt er? Wo lernte er Französisch und Englisch?
Bekannt ist nur: Abraham wollte Musiker werden – und nicht Kaufmann oder Gelehrter. Der berühmte Musikpädagoge und Komponist Carl Friedrich Zelter (1758–1832) wurde zu dieser Zeit sein musikalischer Lehrer und darüber hinaus sein väterlicher Freund. Mit einer Musikkarriere des Abraham Mendelssohn wurde es allerdings nichts, denn seine musikalische Begabung reichte beileibe nicht aus, ein Musikprofi zu werden, wie er selbst auch bald erkennen musste.
So gab er schweren Herzens seinen Traum vom Musikerdasein auf und begann 1797 in Paris eine Banklehre. In Paris fühlte sich Mendelssohn sehr wohl. Hier wurde er zum großen Opernliebhaber. (Er ärgerte sich später immer wieder darüber, dass sein Sohn keine Opern schrieb.) Hier lernte er die 26-jährigen Freundin seiner Schwester Henriette kennen: Lea Salomon. Leas Mutter war nicht gerade beglückt darüber, dass die Tochter nur einen Bankangestellten heiraten wollte. Schließlich fügte sich Abraham und trat in die von seinem Bruder Joseph gegründete Bank in Berlin als Teilhaber ein, die fortan den Namen »Gebrüder Mendelssohn & Co.« trug.
Die Ehe von Lea und Abraham war etwas Besonderes, denn sie war keine arrangierte Ehe, wie es damals in jüdischen Kreisen üblich war. Für Abraham war die Verbindung mit der eindrucksvollen und auch vermögenden Frau ein Glücksfall. Lea war eine starke und gesellschaftlich gewandte Frau. Sie war wohl beeindruckt vom Temperament und dem Witz des Mannes, der dazu noch einen berühmten Namen trug. Zu Beginn ihres gemeinsamen Lebens zogen sie nac h Hamburg, wo Abraham und sein Bruder Joseph eine Filiale ihres Berliner Bankhauses gründeten. Schließlich konnten sie sich ein hübsches Haus in Altona kaufen. Hier verbrachten die Mendelssohns ihre ersten glücklichen Jahre. In Hamburg wurden die Kinder Fanny Zippora (14. November 1805), Felix (3. Februar 1809), Rebecka Henriette (11. April 1811) geboren. 1812 kam dann noch der jüngste Sohn Paul hinzu.
Die Firma Mendelssohn florierte in den ersten Jahren wahrscheinlich recht gut – und das auch noch zu Beginn der 1806 von Napoleon verhängten Kontinentalsperre, die für Hamburg eine Katastrophe war, denn der Handel mit England, für diese Stadt von großer Bedeutung, wurde damit unterbunden. Dafür blühte jetzt der Schmuggel. Wahrscheinlich war das Bankhaus der Mendelssohns auch gewinnbringend an diesem Schleichhandel beteiligt, denn im Juni 1811 verließen Abraham und Lea mit ihren drei Kindern unter Mitnahme der Geschäftsbücher in einer Nacht- und Nebelaktion Hamburg in Richtung Berlin, um den Zollfahndern der Hansestadt zu entgehen.
Schon seit Längerem dachten Lea und Abraham darüber nach, wie sie gesellschaftlich zu mehr Ansehen und Akzeptanz kommen konnten. Sollten sie Preußen verlassen oder sich taufen lassen? Im Jahr 1816 ließen sie ihre vier Kinder taufen, die Eltern vollzogen den Übertritt zum Christentum sechs Jahre später. Für Abraham war der Taufschein nur das, was Heinrich Heine ein »Entre Billet zur Europäischen Kultur« nannte.
Hatte Lea schon drei Tage nach Tochter Fannys Geburt in mütterlicher Übertreibung festgestellt, das Kind hätte »Bach’sche Fugenfinger«, so war sie auch später die Erste, die ihren Kindern Klavierunterricht erteilte. Die überragende musikalische Begabung von Fanny, Felix und Rebecka war deutlich erkennbar. Letztere wurde zu einer sehr guten Sängerin. Fannys Klavierspiel erregte allenthalben größte Bewunderung und Felix bestach durch seine Kompositionen. Abraham machte Fanny jedoch unmissverständlich klar, dass für sie eine berufliche musikalische Karriere nicht infrage käme. Fanny folgte der Weisung ihres dem Geist der Familie und der Zeit anhängenden Vaters, doch sie litt ihr Leben lang darunter.
In einer Sache war sich Abraham aber nicht sicher: Hatte Felix das Zeug zu einem sehr guten professionellen Musiker oder nicht? Luigi Cherubini (1760–1842), der damals sehr bekannte Direktor des Pariser Konservatoriums, bestätigte ihm, dass der Sohn als Komponist und Dirigent all das erreichen konnte, was ihm, dem Vater, versagt geblieben war. Mithin setzte Abraham nun alles daran, dass sein Sohn richtig Karriere machte.
Aus dem traditionellen Musizieren der Familie zu Geburtstagen und Feiertagen entwickelten sich regelmäßige Konzerte, die schnell zu einem der kulturellen Mittelpunkte der Stadt Berlin wurden. Die Gästeliste umfasste Namen der bedeutendsten Persönlichkeiten aus Politik und Kultur.
Abraham, der Sohn des berühmten Vaters und Vater eines berühmten Sohns, hatte durch umsichtige Geschäfte schließlich ein großes Vermögen erworben. Am 19. November 1835 starb er und wurde auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in Berlin Kreuzberg bestattet.
Jüdische Frauen und Männer des 19. Jahrhunderts haben unsere Kultur nachhaltig geprägt. Das Buch, aus dem hier in Auszügen der Beitrag zu Abraham Mendelssohn Bartholdy abgedruckt ist, stellt zwanzig jüdische Persönlichkeiten vor – ihre Lebenswelt, religiöse Traditionen und gesellschaftliche Milieus. Es zeigt, dass jüdisches Leben ein Teil unserer Kultur ist – gestern wie heute. Der Autor, Ekkehard Vollbach, war Pfarrer, Jugendpfarrer und Superintendent.
Ekkehard Vollbach: Dichter, Denker, Direktoren. Porträts deutscher Juden. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 256 S., 19,90 Euro.
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