Ein Fest der Ökumene
Kirchenjahr: Trinitatis gilt als blasser Abschluss der Festreihe Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten. Aber wir sollten dem Fest mehr Aufmerksamkeit schenken: als Ausdruck der Ökumene.Machen wir uns nichts vor: Gegen Ostern und Pfingsten wirkt Trinitatis, das Fest der Dreifaltigkeit, ziemlich blass. Warum? Wir verbinden damit kein Ereignis, es gibt keine Geschichte zu erzählen. Die Lehre von der Wesenseinheit Gottes in drei Personen, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, findet sich auch nicht in der Bibel; sie wurde später von Theologen entwickelt, die dafür Begriffe der griechischen Philosophie wie »ousía« (Wesen) und »hypóstaseis« (Personen) übernahmen. Trinitatis ist ein sogenanntes Ideenfest. Wir feiern kein Heilsereignis, sondern eine Glaubenswahrheit.
Darum gilt von jeher Trinitatis als abstrakt und intellektuell abgehoben. Selbst die Zisterzienser teilten diese Ansicht. »Zum Fest der Heiligen Dreifaltigkeit«, heißt es in den Ordensvorschriften von 1664, »aber soll wegen der Schwierigkeit des Themas im Kapitel keine Predigt gehalten werden.« Wer sich einmal, etwa im Theologistudium, mit der Trinitätslehre befasst hat, kann das gut nachvollziehen.
Über Jahrhunderte haben sich Konzilien und Theologen darüber gestritten, in welcher Beziehung die Personen der Trinität zueinander stehen: Geht zum Beispiel der Geist nicht allein vom Vater, sondern auch vom Sohn aus? Heute mag uns die Frage müßig erscheinen. Früher war das anders: 325 hat das Erste Konzil von Nicäa entschieden, dass Jesus Gott wesensgleich sei. Um zu unterstreichen, dass Jesus dem Vater gleichzustellen sei, wurde auf dem Konzil von Toledo 589 ins Glaubensbekenntnis der Zusatz »filioque« (lateinisch: »und von dem Sohn«) eingefügt: »Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht.« Die Kirchen des Ostens haben diesen Zusatz nie anerkannt, und bis heute steht dieser Streitpunkt einer Annäherung von katholischer und orthodoxer Kirche im Wege.
Obwohl (oder gerade weil) sich im Gegensatz zu den »volkstümlichen« Festen Ostern oder Pfingsten an Trinitatis kein frommes Brauchtum knüpft, haben sich Künstler um eine Veranschaulichung der Trinität bemüht – bisweilen mit etwas bizarren Ergebnissen. Da gibt es den »Tricephalus«, eine Figur mit drei Köpfen oder einem dreigesichtigen Kopf. Als Gegenbild zur Heiligen Trinität begegnet uns im letzten Gesang von Dantes »Inferno« der Höllenkönig Luzifer mit drei Gesichtern und drei Mäulern, in denen er Judas und die Cäsar-Mörder Brutus und Cassius zermalmt. Womöglich auch deswegen hat die Kirche nie viel vom Tricephalus gehalten, Papst Urban VIII. hat ihn 1628 sogar verboten.
Es gibt aber auch weniger gruselige Veranschaulichungen der Trinität, vor allem den »Gnadenstuhl«. Das sind Darstellungen, auf denen Gottvater den gekreuzigten Christus hält, über den eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes schwebt: Gott zeigt den Menschen, dass sein Sohn für ihre Sünden am Kreuz gestorben ist; der Heilige Geist steht für die Verbindung zwischen Vater und Sohn. Die Idee selbst stammt aus dem Mittelalter. Wie es zu der eigentümlichen Bezeichnung kam, lässt sich indes nicht restlos klären. Luther übersetzt »propitiarium«, mit dem in der lateinischen Bibel der goldene Deckelaufsatz der Bundeslade bezeichnet wird (Exodus 25, 17), mit »Gnadenstuhl«. Tatsächlich hält auf manchen Darstellungen Gottvater das Kreuz über einer geöffneten Bundeslade. An anderer Stelle hat Luther im Anschluss an Römer 3, 25 den Ausdruck »propitatio« oder griechisch »hilastérion« (Sühneopfer) auf Jesus Christus übertragen. Durch seine Wortschöpfung verbindet Luther Christus den Versöhner mit dem Alten Testament.
Auch heute laden bildliche Darstellungen wie der Gnadenstuhl zum Nachdenken und zur Meditation über die Trinität ein. Denn so einfach wie seinerzeit die Zisterzienser sollten wir es uns nicht machen. Heute können wir, anders als zu Zeiten der Alten Kirche, die Trinität als Modell einer Verschiedenheit betrachten, die der Einheit nicht entgegensteht, und einer Einheit, die Verschiedenheit zulässt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen bekennen sich heute alle christlichen Kirchen zur Dreifaltigkeit. Darum könnten wir das Fest der Dreifaltigkeit zum Anlass nehmen, auf dieser gemeinsamen Grundlage einen interkonfessionellen Dialog zu führen und auf diese Weise Trinitatis als ein Fest der Ökumene, als das es ja vielfach bereits gefeiert wird, lebendig werden lassen.