Mit Hörnern und Käfern
Waldwirtschaft: Der Förster Christian Arnold (37) aus Bermsgrün setzt beim Waldumbau auf naturnahe Methoden und auf Gott.
Eine Herde zotteliger Rinder weidet auf einer großen Wiese, die sich bergauf bis zum Wald erstreckt. Sie fressen gemächlich Gras und lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen, bis Christian Arnold und sein Vater am Zaun auftauchen. Da kommen plötzlich alle 22 Tiere mit ihren langen spitzen Hörnern auf einmal angestürmt – gut, dass ihr Gehege durch einen Elektrozaun gesichert ist. »Das sind Schottische Hochlandrinder«, erklärt der Bermsgrüner, dem die Hörner keine Angst machen. Seit 2010 werden die Tiere hier gehalten. »Wir wollten eine Rasse mit Horn, denn auf eine richtige Kuh gehört ein Horn. Außerdem kommt sie gut mit dem Klima hier zurecht und braucht keinen Stall.« Und damit passen die Schotten gut ins Erzgebirge und auf das heute 20 Hektar große Gelände, das die Familie seit 1990 privat bewirtschaftet.
Damals hatte Vater Matthias die Flächen, die in der DDR zwangskollektiviert und von der LPG bewirtschaftet wurden, rückübertragen bekommen. Seitdem gibt es eigene Landwirtschaft mit Kartoffeln, Ackerfutter, Gemüse, Pferden, Schafen und Hühnern – im Sommer auch Gänse, damit zu Weihnachten ein Braten auf den Tisch kommt. All das wird selbst bewirtschaftet, im Einklang mit der Natur und ohne Chemie. Kulturen, die sich positiv beeinflussen, stehen zusammen, die Ernte erfolgt gestaffelt, damit immer auch etwas stehen bleibt, Vögel und Insekten Nahrung haben. Drei bis vier Rinder werden pro Jahr geschlachtet. Was daraus verarbeitet wird, reicht fürs ganze Jahr. »Wir kaufen so gut wie nichts dazu. Nur das, was übrig ist, wird verkauft.«
Christian Arnold zeigt, was ihn neben der Familien-Landwirtschaft noch beschäftigt: der heimatliche Wald und seine Veränderungen. Von Haus aus Förster, arbeitet er seit 2017 beim Sachsenforst in Eibenstock und beschäftigt sich dort auch mit Waldumbau. Der Wald sei als Erholungsort und aus Naturschutzgründen wichtig – aber auch als Wirtschaftsfaktor. Ihn zu erhalten, das koste Geld und dieses muss erwirtschaftet werden, zum Beispiel mit Holzverkauf, so der Förster. Wird der Wald krank, ist das Gleichgewicht gefährdet.
Wir fahren von der Weide einige Kilometer bergauf in dichtes Waldgebiet in Richtung Sosa. Vom Borkenkäfer und dem dramatischen Waldsterben ist auf den ersten Blick nicht viel zu sehen. Die Fichten stehen hochgewachsen, der weiche Waldboden riecht gut – wären da nicht die Stapel von gefällten Bäumen, die auf den Abtransport warten und verarbeitet werden sollen. Der 37-jährige nimmt einen Hobel und schält die Rinde ab. Darunter krabbelt ein Borkenkäfer hervor. »Das ist ein Buchdrucker«, zeigt er. Die Larvengänge im Holz sehen aus wie Schriftzeichen, daher der Name. Er ist in der Gegend am häufigsten zu finden und befällt Bäume, die geschwächt sind. Um ihn zu bekämpfen, setzen die Forstleute hier auf eine ungewöhnliche Methode: Sie legen Bäume aus, die ganz nach dem Geschmack des Käfers sind – mit noch ziemlich frischem Baumharz. Diese sogenannten Fangbäume ziehen die Käfer an, sie nisten sich ein und legen Eier. Das ist dann der Moment, in dem die Bäume entfernt werden müssen. Die Stämme werden aus dem Wald geholt und an Lagerplätze gebracht, wo sie keinen Schaden anrichten. Später werden sie weiterverarbeitet.
»Die Klimaveränderungen machen deutlich, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind«, erklärt Arnold. Die Fichte, die hier größtenteils steht, ist durch die Trockenheit der vergangenen Jahre anfällig geworden, Nassschnee und starker Sturm haben ihr zugesetzt – der Borkenkäfer hat leichtes Spiel. Die Fehler hätten wir unseren Vorfahren zu verdanken. »Die Fichte als Monokultur hat hier nie hingehört«, so der Förster. Der Wald, wie wir ihn größtenteils sehen, wurde vor rund 100 Jahren angebaut, um Holz schnell wachsen zu lassen und zur Verfügung zu haben. Der ursprüngliche Erzgebirgswald bestand aus einer Mischung aus Tanne, Buche, Fichte und ebenso Birke, Esche, Vogelbeere. »Da wollen wir wieder hin.« Auch die Fichte sollte »wieder mitkommen«, hofft Christian Arnold.
Unterschiedliche Baumarten bildeten eine unterschiedliche Höhenstruktur und sollten verschiedene Alter haben. Durch diese Mischung werde der Wald stabiler und der Borkenkäfer kann weniger Schaden anrichten. Denn den bekomme man nicht weg. »Der liebe Gott hat sich schon etwas dabei gedacht, dass er den Buchdrucker erfunden hat – wir wissen es nur nicht«, philosophiert der Erzgebirger. Alles habe seinen Sinn. Der Borkenkäfer bringe einen geschwächten Baum zu Fall, der als Totholz ein neues Zuhause für andere Tiere bieten kann.
Arnold sieht sich nicht als »Naturfreak«, sondern als Waldwirtschaftler. Alle Arbeit – im Wald wie auf dem Feld – bewahre die Schöpfung. Ohne die Kraft »von oben« ginge das alles nicht – da sind sich Vater und Sohn einig. »Wir spüren das jeden Tag, woher die Kraft kommt.« Auch wenn Vater Matthias gesteht, »die fleißigsten Kirchgänger sind wir nicht«. Ihr christlicher Glaube ist aber ein wichtiger Halt und beinahe jeden Tag gibt es Grund zum Danken. »Ist das nicht ein Segen«, hatte Vater Matthias zuletzt gedacht, als er sein Heu gerade noch rechtzeitig vorm Gewitter in der Scheune hatte. Dankbar war er auch, als er 1995 einen schweren Verkehrsunfall überlebt hat – wenige hundert Meter von der Weide entfernt war er mit seinem Auto unverschuldet von einem LKW überrollt worden. Sohn Christian erkrankte 2016 an Lymphdrüsenkrebs und überlebte. Das alles ist nicht selbstverständlich für Christian Arnold. Und so steht er abends oft bei seinen Kühen und blickt auf Wald und Berge. »Da kann ich in fünf Minuten runterfahren.« Allein dafür lohnen sich alle Mühen.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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