Boten der Hoffnung
Vor 70 Jahren wurde die Leipziger Spielgemeinde gegründet. Besonders in der DDR-Zeit stärkte die herumreisende kirchliche Theatergruppe viele Menschen vor Ort.
Den letzten Anstoß zur Gründung eines christlichen Theaters in Sachsen gab dem Diakon Herbert Dost und der Schauspielerin Ruth Langhammer der Berliner Kirchentag 1951 unter dem Motto »Wir sind doch Brüder«. Dessen Impuls griffen die beiden – gemeinsam mit dem Theatermann Siegfried Hollitzer – auf und brachten am 5. November 1951 im Saal der Leipziger Nathanael-Gemeinde das »Apostelspiel« von Max Mell zur Aufführung. Mit der »Leipziger Spielgemeinde« wollten diese Akteure »Theater in einem atheistisch geführten Staat« machen, notierte Ruth Langhammer in ihren Erinnerungen. Zielgruppe waren die Kirchgemeinden der DDR. Zunächst geduldet, dann bekämpft und allmählich respektiert, hielt die kleine Schar durch und setzte ihre verdienstvolle Tätigkeit noch bis zum Jahr 2004 deutschlandweit fort.
Das »Apostelspiel« wurde ein großer Erfolg, dem weitere folgten. Bei ihrer Stückauswahl achteten die Leiter auf Aktualität und Glaubensbezug. Später – zu einer Zeit verstärkter Repressionen – kamen sogenannte »Programme« dazu, die keiner staatlichen Genehmigung bedurften. Das waren szenische Lesungen aus Texten von Matthias Claudius, Wilhelm Busch oder Wolfgang Borchert. Ein kleines Kernensemble von ausgebildeten Schauspielern und Laien setzte diese Angebote mit bescheidenen Mitteln in Szene – Geld für aufwendige Bühnenbilder gab es nicht. Kulissen und technisches Gerät mussten transportabel sein, um in den Kirchen und Dorfsälen zügig auf- und abgebaut werden zu können. Dort herrschten zumeist widrige Bedingungen: kalte Räume, schwierige Akustik, bescheidene Beleuchtung waren eher die Regel. Das alles aber haben die »volksmissionarischen Mitarbeiter im schauspielerischen Dienst« mit viel Elan, Erfindungsreichtum und Enthusiasmus kompensiert. Ein Kritiker der Zeitung »Union« lobte deshalb auch ihr »Erstreben einer hohen Sachlichkeit (…) ohne falschen Anspruch und ohne Pathos«.
Ab 1952 ging die Spielgemeinde auf Tournee; vorwiegend in Sachsen und Thüringen, im Sommer an der Ostsee und bis 1961 sogar in Westdeutschland und West-Berlin. Dazwischen lagen schwere existentielle Bedrohungen: 1953 wurde Mitspieler Herbert Dost als angeblicher »Spion« vier Monate lang verhaftet und die Arbeit der Spielgemeinde zeitweise untersagt. Ab 1961 durfte sie nur noch in kirchlichen Räumen innerhalb Sachsens auftreten.
In Leipzig bezog sie 1958 in der Otto-Schill-Straße 7 ein eigenes Haus mit zwei kleinen Bühnen – die »Schille«. Kinderstücke und Tanzchoreografien bereicherten seitdem den Spielplan. Das Ensemble wuchs auf 14 Mitglieder an, so dass zwei Gruppen parallel proben und auftreten konnten. Allein 1961 fanden 350 Aufführungen vor 100 000 Zuschauern statt.
Ende der 1970er Jahre zogen sich Herbert Dost und Ruth Langhammer aus Altersgründen zurück; danach wechselte die Leitung mehrmals. Die Spielgemeinde agierte seit der Wende mit dem Zusatz »Theater der Kirche« weiter. Der neue Leiter, Gunter Fischer, richtete den Spielplan mehr auf jugendliche Zuschauer aus; auch klassische Theaterstücke wurden aufgeführt. Die Nachwendezeit zählt zu den erfolgreichsten der Spielgemeinde. Aber die stark schrumpfende Landeskirche wollte oder konnte sich ihr »unwirtschaftliches Theater« nicht mehr leisten. Nach mehrfacher Stellenkürzung erfolgte für die Spielgemeinde am 31. Dezember 2004 das endgültige Aus. Die Spielstätte »Schille« wurde vom Evangelischen Schulzentrum übernommen; drei »Ehemalige« um den Schauspieler Jürgen Fliegel gründeten eine Theaterkompanie und agieren seitdem als »Nachfolger im Geiste der Leipziger Spielgemeinde«.
Erinnerungen an die Auftritte der Spielgemeinde können gerne an die Redaktion des SONNTAG zur Veröffentlichung im »Forum« geschickt werden.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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