Wohin mit dem Kreuz?
Kirche vor der Wahl: Die Evangelische und Katholische Erwachsenenbildung Sachsens wollten mit einer Veranstaltungsreihe christliche Orientierung für die Wahl bieten – mit mäßigem Erfolg.
Was soll ein Vater tun, wenn ihm die Tochter sagt, sie habe »keinen Bock, noch Kinder in diese Welt zu setzen.« Weil die Klimakrise ihr und ihren Brüdern Sorgen mache – und ihm als Vater nun auch. Es war gegen halb zehn Uhr an einem Septemberabend in Chemnitz, elf Tage vor der Bundestagswahl, als das Thema auf den Tisch kam. Zwei Stunden Vorträge und Gespräch über Demokratie und die Wahlprogramme der im aktuellen Bundestag vertretenen Parteien lagen hinter den rund 40 Zuhörern im Katholischen Gemeindezentrum St. Nepomuk in Chemnitz.
Unter dem Motto »Vom Vertrauen auf ›die schlechteste Regierungsform‹«, angelehnt an ein Zitat des britischen Staatsmannes Winston Churchill, ging es um Demokratie und die Herausforderung, christliche Werte und Realpolitik zusammenzubringen. Evangelische und Katholische Erwachsenenbildung in Sachsen hatten dazu die viertägige Veranstaltungsreihe »Ohne Orientierung – Der Wahlprogrammcheck zum christlichen Menschenbild« organisiert, die neben Chemnitz auch in Bautzen, Dresden und Freiberg Station machte.
In Chemnitz hatte der Paderborner Theologe Peter Schallenberg in seinem Vortrag die Klimafrage zumindest kurz angerissen. Mit Blick auf Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit sagte er, Gerechtigkeit sei, dass »wir das Haus so hinterlassen, dass die nächste Generation sich darin auf die Ewigkeit Gottes vorbereiten kann«. Redner Sebastian Liebold, CDU-Mitglied, Politologe, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Chemnitz, hatte auf den Kerngedanken der Nachhaltigkeit verwiesen. Er bezog sich auf den sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714). Von ihm stammt das Prinzip, dass für jeden gefällten Baum ein neuer gepflanzt wird. Da gehe es nicht um unbegrenztes Wachstum, so Liebold.
Dem Chemnitzer Vater aber kam »der Klimaschutz zu kurz«, so kritisierte er. Mitmoderator Thomas Doyé vom Evangelischen Forum Chemnitz bat Schallenberg deshalb um eine knappe Zusammenfassung der diesbezüglichen Partei-Pläne. Schallenberg, der mit anderen Experten die Wahlprogramme aus christlicher Perspektive geprüft hatte, erwiderte, dass sich bei der AfD dazu nichts finden lasse. In seiner knapp 40 Seiten langen Studie, die unter anderem zwei Schriften evangelischer und katholischer Gremien als Leitfaden nutzt, ist zu lesen, dass »die Partei die menschliche Mitverursachung der Erderwärmung in Frage« stelle. Die übrigen Parteien im Bundestag wollen das Klima schützen, aber mit unterschiedlichen Mitteln.
Schallenberg stellte zudem die Frage, wie Länder wie China und Indien zu verantwortungsvoller Klimapolitik zu bringen seien. Er glaube da höchstens an Trippelschritte und warnte davor, »sich große Hoffnung auf den großen Wandel in der Klimapolitik zu machen«. Dann wurde die Veranstaltung mit Verweis auf die Uhrzeit abgebrochen. Der Chemnitzer Vater, der in Trippelschritten »keine Lösung« sehe, blieb sichtbar ratlos zurück.
Die Vorträge der Chemnitzer Referenten schlugen einen sehr weiten Bogen und blickten nur kurz konkret auf die Wahlprogramme. Dass für den 26. September Orientierung aber nötig sei, darauf hatte Peter Schallenberg schon bei der Auftakt-Veranstaltung in Schmochtitz bei Bautzen hingewiesen. »Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik steht ein Kanzler in Deutschland nicht zur Wiederwahl.« Die Studie hat danach geschaut, wie sich die Parteien zu Familienbild, Sozialem, Abtreibung, Sterbehilfe und Wirtschaftsformen positionieren.
Eine Wahlempfehlung wolle man nicht geben, so Schallenberg. Laut seiner Untersuchung stehen alle Bundestagsparteien außer der Linken zur sozialen Marktwirtschaft, auch wenn sie, den Programmen nach, weiterentwickelt oder reformiert werden solle. Unterschiedlicher seien die Vorhaben mit Blick auf Steuern und Abgaben. So wollten CDU, CSU und FDP den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen. Die FDP zudem die Gewerbesteuer. SPD, Linke und Grüne stehen für eine Neuauflage der Vermögenssteuer. Die AfD fordere die Aufhebung aller Coronaschutzmaßnahmen. SPD und Bündnis 90/Die Grünen befassten sich explizit mit der weiteren Eindämmung der Pandemie. Den anderen Parteien gehe es vor allem um die Bewältigung der Folgen. Konkret auf das Christentum bezogen sehen die Autoren, dass die AfD das Christentum primär zur Abgrenzung vom Islam nutze. Nur CDU/CSU bekennen sich explizit »zum Einsatz für Christen als weltweit am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft«.
Für Erik Panzig, Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung Sachsen, war die Beteiligung geringer als erwartet, mit Ausnahme von Chemnitz. Persönlich denke er, dass »die Beteiligung an Wahlen eine christliche Pflicht ist«. Orientierung gebe dabei schon der theologische Grundsatz und Glaube, »dass Gott jeden Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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