Im Glauben beieinander bleiben
Der Gemeinschaftsverband Sachsens hat eine neue Leitung. Der neue Vorsitzende Falk Schönherr blickt auf den Neuanfang zurück, wirbt für Vertrauen und für Mut, etwas für den Glauben zu wagen.
Es ist ein unscheinbares, gelbes Haus in Markneukirchen, der Putz bröckelt von den Wänden, die Fenster im Erdgeschoss sind mit Folie verhangen. Vor der Haustür steht eine Kiste mit Dingen zum Verschenken. »Viel Freude damit!«, wünscht ein Pappschild darin. Gleich daneben öffnet sich die Tür und Falk Schönherr mit dem jüngsten seiner fünf Kinder bittet herein. So wenig einladend sieht das Haus der Landeskirchlichen Gemeinschaft aus? »Nein«, sagt der Gemeinschaftspastor. »Das ist nur das Vorderhaus, unser Wohnhaus. Die Gemeinschaft trifft sich im Hinterhaus.«
Tatsächlich wird beim zweiten Blick – oder beim Blick um die Ecke – das Gemeinschaftshaus sichtbar mit einem großen Schriftzug »Landeskirchliche Gemeinschaft«. Früher sei hier das Kino gewesen, später die methodistische Gemeinde, erzählt Falk Schönherr. Jetzt versammele sich hier eine junge, lebendige Gemeinschaft, viele Familien mit vielen Kindern.
Falk Schönherr bietet Platz am großen Küchentisch und kocht Tee. Ein frischer Stollen liegt auf dem Tisch, in den Fenstern stehen Schwibbögen, ein großer Holzengel schwebt an der Decke. Schönherr stammt vom Rand des Erzgebirges, aus Niederwürschnitz bei Stollberg. Im Sommer wird er mit der ganzen Familie dorthin zurückkehren. Seine Eltern wohnen dort. Vor allem aber liegt es zentraler in Sachsen und das sei für seine neue Leitungsaufgabe nötig, sagt er.
Der 41-Jährige wurde vergangenes Jahr zum Vorsitzenden des sächsischen Gemeinschaftsverbandes gewählt. Der gelernte Steinmetz will nun nicht mehr nur Gemeinde vor Ort bauen, sondern künftig gute Rahmenbedingungen für alle sächsischen Gemeinschaften schaffen. Dass dafür ein Umzug nötig wird, war nicht absehbar, sagt Falk Schönherr.
Zunächst musste die Verteilung der Aufgaben geklärt werden, schließlich gab es einen großen Umbruch in der Verbandsleitung: Gleich drei Positionen waren neu zu besetzen, es hatte intern Meinungsverschiedenheiten gegeben. »Die Corona-Zeit war nicht leicht«, versucht Falk Schönherr zu erklären, dass die Führung in dieser Zeit schwierig war, aber der Verband gut geleitet worden sei. Durch persönliche Konflikte und durch Berufungen etwa des früheren Vorsitzenden Reinhard Steeger ans Diakonissenmutterhaus nach Elbingerode habe es einen Neuanfang gebraucht, meint der Pastor.
Auf einer außerordentlichen Delegiertenversammlung im vergangenen Jahr wurde dann Tacheles geredet und auf einer regulären Versammlung neu gewählt: Falk Schönherr zum Vorsitzenden und der 39-jährige Diplom-Betriebswirt und Gemeinschaftspastor im Bezirk Mülsengrund, Stefan Heine, zum Landesinspektor. »Wir beide kennen uns schon lange und verstehen uns, wie Geschwister«, beschreibt Falk Schönherr die gemeinsame Verantwortungsübernahme.
Neben den neuen Aufgaben müsse auch die Kommunikation im Verband und im Vorstand besprochen werden, die Erwartungen untereinander und vor allem Vertrauen wieder wachsen. »Wir dienen den Strukturen vor Ort«, sagt der neue Vorsitzende ganz klar. Und vor Ort seien Evangelisation und Gemeinschaftspflege die beiden Schwerpunkte. Die Bibelstunden und Gottesdienste seien dafür zentral. Zugleich würden die Formen insgesamt vielfältiger. »Gerade in Zeiten der Vereinzelung und Vereinsamung ist Glaube für mich ein Gemeinschaftsprojekt.« Er wünsche sich, dass Menschen trotz unterschiedlicher Ansichten – auch im Glauben – beieinander bleiben. »Dahin geht auch immer ein Schwerpunkt meiner Verkündigung«, sagt der Pastor.
Schönherr selbst spielt im Posaunenchor Tuba, fährt gern Kanu, geht aber auch gern mal allein eine lange Strecke zu Fuß. So bekomme er ein Gefühl für Distanzen und welche Schritte möglich und nötig sind. Nötig sei, sich im Verband nach Personalnachwuchs umzuschauen. Derzeit seien zehn Stellen vakant, »mehr als üblich«, sagt Falk Schönherr. »Die Personalfrage ist gerade nicht ganz einfach.« Doch bei zurückgehenden Mitgliederzahlen heißt das auch weniger Personal. »Da wir überwiegend spendenfinanziert sind, ist immer auch die Frage, wie viel Personal wir halten können.« Es seien ähnliche Sorgen wie in der Landeskirche. »Natürlich hat der Hauptamtliche im Gemeinschaftsverband eine wichtige Aufgabe und Basis. Andererseits leisten Ehrenamtliche den überwiegenden Teil der Arbeit«, sagt Falk Schönherr. Trotz des Kleinerwerdens wünscht sich der Pastor eine »Infrastruktur des Mutes«, etwas zu wagen und zu beginnen für den Glauben.
Er selbst ging mit seiner Frau Dorothee nach der Ausbildung am Gnadauer Theologischen Seminar in Falkenberg bei Berlin in den Kirchenkreis Oderbruch, um für den CVJM eine christliche Kinder- und Jugendarbeit aufzubauen. Erfolgreich? Schönherr lächelt und meint: »Erfolg im Reich Gottes ist immer so eine Sache. Es hat jedenfalls wertvolle Kontakte gebracht.« Zugleich sei es der Start für die eigene Familie gewesen.
2013 kam dann der Ruf zurück nach Sachsen, Markneukirchen. In der Stadt der Musikinstrumente war auch Carsten Rentzing Pfarrer, bevor er 2015 zum Bischof der Landeskirche gewählt wurde. Ist es Zufall, dass nun der nächste Geistliche aus dem Ort ein sächsisches Hirtenamt übernimmt? »Führung«, nennt es der Pastor. »Den Vergleich zum Bischof höre ich nicht zum ersten Mal«, sagt er und lacht.
Was der Theologe im oberen Vogtland besonders zu schätzen gelernt habe, sei die Ökumene vor Ort. Ganz konkret für die anstehende Allianzgebetswoche sei es das Miteinander mit der Kirchgemeinde, mit einer christlichen Versammlung und mit einer freien biblischen Glaubensgemeinde. Das Motto lautet diesmal »Gott lädt ein – Vision für Mission«.
Schönherrs Vision und Hoffnung sei, dass Christen sprachfähig werden im Glauben und so andere zum Glauben einladen. Seine Ehefrau sei übrigens in der Familie die bessere Missionarin, sagt der Familienvater lächelnd. Sie habe zum Beispiel bei der Tafel gearbeitet und tolle Kontakte geknüpft. Und vor ihrer theologischen Ausbildung in Falkenberg habe sie in der Ukraine mit Straßenkindern gearbeitet.
Wie Falk Schönherr mit den Landtagswahlen in diesem Jahr und Hinweisen zu politischen Parteien und Rechtsextremismus umgehen will, sei noch offen. »Wir haben uns im Verband bisher – von oben – nicht dazu geäußert«, sagt er. In den Gesprächen untereinander sei es jedoch ein Thema, und kein einfaches. Klar sei: Menschen werden nicht niedergeschrien, es wird nicht eine Absetzung verlangt. »Einen inhaltlichen Diskurs zu führen zu drängenden Fragen, das ist eine notwendige Sache«, meint der Pastor. »Von Christus her müssen wir uns aber gegen einen Mainstream stellen, der immer weiter spaltet und Menschen niedermacht.«
Die Gespräche am Küchentisch sind ihm dabei wichtig. Die will er fortsetzen, auch in Niederwürschnitz. Denn so wachse Vertrauen, ganz persönlich, in der Gemeinschaft vor Ort, im Verband und darüber hinaus.
20. Januar, 10 Uhr: Gottesdienst mit Einsegnung des Vorsitzenden und des Landesinspektors, in der Landeskirchlichen Gemeinschaft Chemnitz, Lutherplatz.
Die Gemeinschaftsarbeit in Sachsen – Zahlen und Hintergrund
Die Gemeinschaftsbewegung entstand vor über 100 Jahren als innerkirchliche Erneuerungsbewegung mit der Bibelarbeit, während in der Volkskirche nur Gottesdienste mit Predigten üblich waren. Der Sächsische Gemeinschaftsverband umfasst 32 Bezirke vom thüringischen Zeulenroda bis Görlitz, mit Angeboten an über 300 Orten. Diese reichen von Gottesdiensten, Bibelstunden, Angeboten für Kinder und Jugendliche, diakonische und missionarischen Aktionen bis hin zu Freizeitheimen. Die Arbeit wird von ehrenamtlichen Leitern getragen. 70 Pastorinnen, Pastoren und Referenten sind im Verband angestellt, welche die über 3000 ehrenamtlichen Mitarbeiter unterstützen und begleiten. Der sächsische ist dabei einer der größten Verbände innerhalb der pietistischen Dachorganisation, des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes. Weitere Infos unter www.lkgsachsen.de
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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