Tödliche Kristalle
Die Droge Crystal breitet sich sprunghaft aus: Tausende Sachsen sind schon von ihr abhängig – doch es fehlen genügend Hilfsangebote für die Suchtkranken.
Stefan Preßler hat den Aufstieg der Droge Crystal miterlebt. Als der Suchtberater vor fünf Jahren mit seiner Arbeit beim christlichen Verein »come back« in Zittau begann, war die Droge noch selten. Doch seitdem wächst die Zahl der Crystal-Abhängigen in seiner Beratungsstelle von Jahr zu Jahr zweistellig. Die Stände auf der tschechischen Seite der nahen Grenze, an denen es die kleinen weißen Kristalle unter der Hand zu kaufen gibt, sind nur wenige Kilometer entfernt.
»Crystal ist in der Lebenswelt der Jugendlichen angekommen, das Zeug gibt es hier überall«, sagt Preßler. Es macht wach, leistungsfähig. »Aber anders als Alkohol oder Cannabis ist das keine Droge, mit der man experimentieren kann – wer sie einige Male nimmt, ist oft schon abhängig.«
Crystal macht eine steile Karriere: Über 4200 Abhängige dieser Droge begleiteten die sächsischen Suchtberatungsstellen allein 2013, die Zahl steigt von Jahr zu Jahr um mindestens 20 Prozent – und die Dunkelziffer der Betroffenen dürfte weit größer sein. Die meisten von ihnen sind Männer zwischen 20 und 30 Jahren und wohnen nahe Tschechien in Südsachsen, der Lausitz oder in der Region Dresden. Doch die Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen: Die Crystal-Welle schiebt sich immer weiter nach Westen. 18 Menschen seien in Deutschland an dieser Droge 2013 gestorben, vier davon in Sachsen.
»Allein im letzten Jahr hatten wir 14 Prozent mehr Klienten mit dem gleichen Personal – wir sind am Limit«, sagt der Zittauer Suchtberater Stefan Preßler. Dies geht allen 45 sächsischen Suchtberatungsstellen – von denen 23 zur Diakonie gehören – ganz ähnlich. Zumal die sächsische CDU-FDP-Regierung erst 2010 Personal bei ihnen gestrichen hat. »Man müsste sich gerade mit den Crystal-Klienten viel häufiger treffen, aber das ist nicht zu leisten«, sagt der Berater Preßler. »Die Klienten gleiten einem durch die Finger.«
Und noch eine Folge hat diese Entwicklung: »Andere Klientengruppen wie Alkohol-Kranke werden dadurch in den Beratungsstellen verdrängt«, sagt der Suchthilfe-Referent der Diakonie Sachsen, Helmut Bunde. »Sie bleiben dann länger in ihrer Sucht und es kommen noch mehr chronische Erkrankungen bei ihnen hinzu.« Wegen der ansteigenden Crystal-Zahlen will Sachsens schwarz-rote Koalition im April im neuen Landeshaushalt eine Million Euro zusätzlich für die Suchtberatung beschließen. Die Diakonie sieht das als ausreichend an, nur fürchtet sie nun den Fachkräftemangel bei der Suche nach guten Suchtberatern.
An anderer Stelle aber bleibt ein großes Loch. »Viele der jungen Crystal-Abhängigen haben das Leben noch gar nicht gelernt, ihnen fehlen oft Schul- oder Berufsabschlüsse«, sagt Torsten-Michael Ufer, der Leiter der sozialtherapeutischen Wohnstätte des Zittauer »come back e. V.«. »Sie sind in einer Drehtür gefangen zwischen immer neuen Entwöhnungen und neuen Abstürzen. Für sie fehlen in Sachsen passende Angebote.« Ein Fachausschuss der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren fordert deshalb 50 Wohnheim-Plätze für junge Drogenabhängige in Sachsen mit spezieller Förderung und Ausbildungsmöglichkeiten. Die Zittauer würden gern eine solche Einrichtung eröffnen. Doch den Schwarzen Peter der Finanzierung schieben sich Kommunaler Sozialverband, Landkreise und Rentenversicherungen gegenseitig zu – bisher ohne Einigung.
Für Sachsens Landesbischof Jochen Bohl ist dieser Mangel »bestürzend und schockierend zugleich«. Nach einem Besuch in der Zittauer Suchthilfeeinrichtung sagte er: »Wenn hier nichts passiert, werden wir viele junge Menschen an die Droge verlieren, weil sie immer wieder rückfällig werden.«
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