Ich bin "Pauliner". Das heißt, ich habe einen Beruf erlernt und dann erst meine Ausbildung zum Pfarrer am "Paulinum" in Berlin begonnen. Das war eine bewusste Entscheidung gewesen, denn, da ich das Abitur hatte, wäre es ebenso möglich gewesen, an die Humboldt Uni oder an das Sprachenkonvikt zu gehen.
Doch die Ausbildung am Paulinum war gebündelt und gestrafft und sie war vor allem gemeindebezogen.
Nun mag man den Vorwurf erheben, dass ihr die wissenschaftliche Tiefe gefehlt haben könnte.
Wenn ich jedoch sehe, was die Gemeinde erwartet, frage ich mich, ob die Arbeit mit mehr und wissenschaftlicherem Rüstzeug in Dogmatik und ähnlichem besser zu machen wäre.
Die Männer und Frauen, die bei uns Vorlesungen gaben, waren allesamt Menschen, die wussten, wie es in der Praxis aussieht. Das hat sich auch auf den Stil ihrer Vorlesungen ausgewirkt.
Der Schritt hinaus ins Pfarramt war dennoch einer, der mir (und vermutlich anderen auch) vor Augen führte, wie viel da nicht gewusst wird.
Eines hatte ich jedoch gelernt: Gottes Wort trägt den, der ihm vertraut und es zur Mitte seines Lebens macht.
Genau dieses Wort ist es, das die meisten Menschen in den Gemeinden, erwarten. Weil man aus ihm lebt, es der Gemeinde lebendig zu machen ist eine wunderbare Arbeit.
Es ist lange her, dass ich damit begonnen habe und ich bin es nie müde geworden.
Unserer Landeskirche wünsche ich junge Menschen, die sich auf die Wagnis des Wortes Gottes einlassen und seine Tiefe und seinen Reichtum entdecken, die sich nicht scheuen dieses Wort (und weniger die darüber entwickelten Theorien) zu ihres Fußes Leuchte zu machen und das Licht, das ihr Leben dann erhellt zu den Menschen im Lande zu bringen.
Gert Flessing
Wieviel hat das Theologiestudium eigentlich mit der Lebenswirklichkeit in der Gemeinde zu tun? Wie gut werden Pfarrer im Studium auf die Situation in Kirchgemeinden vorbereitet? Zum 50. Gründungsjubiläum des Theologischen Seminars in Leipzig wird sich nicht nur eine Diskussion mit diesen Themen befassen, sondern es werden auch viele Gespräche von ehemaligen Studierenden um diese Fragen kreisen. Denn früher war, wie sollte es anders sein, nicht alles schlecht. Aber der Übergang zur westdeutschen Wissenschaftsstruktur hat nach 1989 manche »Errungenschaft« gekostet, die Pfarrer heute vermissen.
»Identitätsverlust« der Ausbildung und der Pfarrer beklagen die Einen, mangelnde »Erdung« in der Gemeinde und der Landeskirche die Anderen. Nicht wenige Dozenten an theologischen Fakuläten haben keine Erfahrung im Pfarramt. So sind zwar die Pfarrer am Ende ihres Hochschulstudiums für tiefschürfende theologische Diskussionen gut gerüstet, doch in der Gemeinde angekommen, findet sich dafür kaum eine Gelegenheit. Dabei fehlt die Übersetzung der akademischen Theologensprache auf das Niveau der Gemeinde, fehlt auch die gemeinschaftliche Spiritualität. Das Menschliche in der theologischen Ausbildung komme zu kurz, beklagt nicht nur einer der ehemaligen Rektoren.
Sicher ist eine eigenständige Ausbildung von Pfarrern mit viel Geld und Aufwand verbunden. Doch wenn die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre dem Praxisbezug eines künftigen Pfarrers im Wege stehen, dann muss über Veränderungen nachgedacht werden. Das Jubiläum mit den Erfahrungen aus dem Theologischen Seminar ist eine gute Gelegenheit dazu.
Ich weiß nicht so recht, ob diese Alternativen so richtig sind. Nach meiner Erinnerung gab es dieselben Diskussionen auch am Theologischen Seminar. Es wurde dort immerfort über Studienreform diskutiert, die zu besserem Praxis- und Gemeindebezug führen sollte. Auf jeden Fall nehme ich wahr, dass die Landeskirche heute wesentlich engeren Kontakt zu den Studierenden hält, als das damals der Fall gewesen ist.
Das Theologiestudium ist nicht einfach eine Berufsausbildung, sondern legt die Grundlagen für einen Beruf. So war das damals und so ist das heute immer noch. Diesen Beruf auszufüllen und ihm ein eigenes Gesicht zu geben, ist eine Aufgabe der zweiten Ausbildungsphase und der Praxis.
Sicher kann man darüber reden, ob es neben dem Theologiestudium für junge Menschen auch noch andere Wege in anderen Lebensphasen in den Pfarrberuf geben sollte. Aber auf Theologie, also auf einen kritisch reflektierten Glauben, sollte keiner dieser Wege verzichten. Und es ist eine Erfahrung, dass es gerade die höhere Schule der Theologie ist, einfach und begründet vom Glauben zu reden.
Mein Studium ist eine Weile her. Es war in den siebziger Jahren. Außerdem war es in Brandenburg. Viele Sachsen studierten damals am Paulinum und Thüringer waren auch da. Diese "Alternative" ist ja dann, kurz nach der Wende, geschlossen worden.
Vorher war ich Schlosser und weiß, dass auch da die Lehre nicht einfach so abzutun war, sondern die Grundlage für den Beruf gelegt hat.
Ich bin der Meinung, dass zum Dasein als Pfarrer mehr gehört. Es ist im wahrsten sinne ein "Beruf", denn derjenige, der ihn ergreift, sollte das Gefühl, "berufen" zu sein, schon kennen.
Vor allem sollte er, bevor er irgend etwas kritisch reflektiert, überhaupt "Glauben" haben. Er sollte Gott vertrauen, ja, ich möchte sagen, Gott sein Leben anvertrauen.
Erst dann kann auch das, mit was man sich als Theologe beschäftigt, kritisch gewertet werden.
Außerdem haben wir sehr wohl das nötige Handwerkzeug mitbekommen und "die höhere Schule der Theologie" (bei dem Begriff musste ich unwillkürlich schmunzeln) erfahren dürfen.
Aber durch die Erdung, die auch in den Gemeinden lag, aus denen wir kamen, wurde diese "höhere Schule" kein Wolkenkuckucksheim, sondern wurde intensiv befragt, wie sie sich in die Schule des Glaubens einordnen lässt.
Eines dürfen Sie mir glauben, lieber Herr Markert, einfach und begründet redet man von Gott und seiner Liebe, wenn man fest in ihr verwurzelt ist. Genau das wünsche ich Ihnen von Herzen.
Gert Flessing
„Herr Pfarrer, mein Sohn möchte so gern auch Pfarrer werden.“
„Gute Frau, Ihr Sohn ist dafür nicht geeignet. Dazu muss man klüger sein.“
„Aber er ist doch so fromm.“
„Damit könnte er vielleicht ein Heiliger werden, aber kein Pfarrer.“
Lieber Gert,
Dir merkt man heute noch 2 Sachen an. Einmal, daß Du auf fester bibelfundierter Glaubensgrundlage basierend mit Überzeugung Pfarrer geworden und bis heute bist!
"Paulinum" war natürlich für solche Menschen, das Beste, was in der DDR möglich war.
Und Moritzburg und andere "Brüderhäuser" waren es in ähnlicher Weise für die "Diakone"!
Aber, wie man sieht, ist das zwar eine Grundlage, aber nicht zwingend notwendig auch die Garantie, daß man auf diesem Weg bleibt!
Lieber Joachim, "auf diesem Weg bleiben...", das ist doch gar nicht so einfach. im Laufe der Jahre habe ich manchen erlebt, der den Weg verlassen hat. Daran war sehr oft nicht "die böse Theologie" schuld, die den Glauben zerstört hat, sondern persönliche Erfahrungen mit Menschen in und außerhalb der Kirche. Manchmal auch der Gedanke, dass man nun alles weiß und alles kann.
Die Theologie und die Beschäftigung mit den großen Theologen, damals waren es Karl Barth, Rudolf Bultmann, aber auch Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar oder Piet Schonenberg und andere, war eine immense Bereicherung. Durch sie lernte ich den Buchstaben des Wortes Gottes erst richtig zu sehen und hinzulauschen, was er zu sagen weiß.
Mit Paul Tillich stiegen wir in die Tiefe des menschlichen Seins hinab und fanden dort doch auch den erbarmenden Gott.
Vor allem aber lernte ich (und wohl manch anderer), das wir nichts sind aus uns selbst und alles durch den, der uns gerufen hat. "Gerufen und verschenkt" hieß eines der Bücher, das sich mit der Aufgabe dessen, der in das Amt geht, befasst.
Das durchzuhalten und sich immer wieder vor Gott zu beugen, um allein ihm mit den schwachen Kräften zu dienen, ist nicht leicht.
Aber wo ich mich nicht durch mich definiert habe, sondern durch ihn definieren und senden ließ, habe ich eine Freiheit erfahren dürfen, die ich sonst nie gefunden hätte.
Es ist eine Freiheit zum Tun, aber auch eine Freiheit zum Lassen. Ich muss nicht "funktionieren", wenn ich den Glauben lebe. Ich kann den Glauben leben, wenn ich aus dem Wort Gottes dazu die Kraft bekomme. Ich bekomme die Kraft, wenn ich mich in ihn fallen lasse.
Gert Flessing
Naja, von einem Pfarrer erwartet man schon mehr als die geistig-geistliche Kleingärtnerei eines Beobachters. Auch sonst sprechen die Lesermeinungen im Sonntag nicht unbedingt dafür, das Studium an der Hochschule zu ändern.
Wie schön, dass es auch in Dresden Leser gibt, die Schreiber sind. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass es eine Änderung des Studiums geben muss. Wer Theologe werden möchte, muss schon einiges hören, damit er auch begreifen kann, welche Bewegungen es in der Kirche und den Kirchen z.B. im Blick auf die Dogmatik gegeben hat. Er sollte sich ein Bild machen können über die Geschichte des Volkes Israel und die Veränderungen, die auch der Glaube dieses Volkes im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat.
Wer als Theologe danach strebt, in eine Gemeinde zu gehen, der bekommt ein gutes Rüstzeug mit. Aber in der Gemeinde braucht er mehr, als die theologische Theorie. Er braucht ein wirkliches und sicheres Fundament in einer persönlichen Gottesbeziehung. Er braucht eine Liebe zu den Menschen, die ihm begegnen werden, die keine Vorlesung ihm vermitteln kann. Er braucht Gelassenheit, die sich weder durch alle möglichen bürokratischen Anforderungen von "oben" noch durch Anspruchsdenken und Hektik von "unten" erschüttern lässt.
All das kann man sich von Gott schenken lassen, denn der eigentliche "Dienstherr" jedes Pfarrers ist weder die Landeskirche noch der Kirchenvorstand, sondern Gott. Daher ist die erste Aufgabe, die Demut vor ihm und seinem Wort, das der Pfarrer den Menschen immer wieder zu sagen hat.
Als Lutheraner gilt eben das "sola scriptura" ebenso, wie das "solus christus".
Gert Flessing
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