Wohin, wenn nicht zu dir?

Tobias Petzoldt

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Tobias Petzoldt ist Dozent mit dem Schwerpunkt Bildungsarbeit mit Jugendlichen an der Evangelischen Hochschule Moritzburg. Foto: Eike Grübnau

»Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.« (Matthäus 11, Vers 28)

Du Gefährte,
wer bist du,
was bist du,
wo bist du?
Wo bist du gewesen,
als ich traurig war und einsam,
voller Herzschmerz und Magenbitter?
Und als ich glücklich war und in Gesellschaft,
und überall dabei und dabei immer
ein bisschen zu laut und zu eitel
und als meinen Händen alles gelang,
war das nicht ich, ich, ich –
oder warst da du
und deine Vorsehung?

Du Gefährte,
den ich suchte, dem ich fluchte,
dem ich folgte und den ich
rechts liegen ließ
als alles gut war und schön –
mit dir will ich reden,
zu dir will ich beten,
zu dir hin will ich fliehen.

Du Gefährte,
hier bin ich.
Dir gebe ich mich,
dir gebe ich mich hin.

Wohin sonst
sollte ich gehen,
wonach fliehen,
worauf hoffen,
wodurch lieben
und woran sonst
sollte ich glauben?

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100 Lesermeinungen zu Wohin, wenn nicht zu dir?

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A.Rau schreibt:

10. Juni 2015, 20:46

Hochverehrtes Publikum,

ich bitte Sie herzlich, hier unter diesem Beitrag - vorläufig!!! - keine Einträge vorzunehmen bzw. sich in dieses Streitgespräch nicht einzumischen. Denn hier findet die voraussichtlich allerletzte Entscheidungsschlacht zwischen A und B statt; oder vielleicht richtiger: der finale Showdown um die Zukunft unserer Kirche.

Wenn beide Kontrahenten tot am Boden liegen, dürfen Sie gerne die Leichen fleddern. Doch bis dahin bitte ich um die Gnade, die Argumente hier ungestört austauschen zu können.

Vielen Dank!!!
A.Rau

A.Rau schreibt:

10. Juni 2015, 20:49

Lieber Paul,

sind Sie da? Sie hatten mir eine Frage gestellt: „Warum sollte ein/e PfarrerIn Menschen, die sich lieben und füreinander Verantwortung übernehmen wollen, den Segen Gottes für ihre Liebe und Partnerschaft vorenthalten, den andere selbstverständlich zugesprochen bekommen, wenn diese darum bitten, weil ihnen dieser Segen wichtig ist.“

Zu diesem Thema findet in der EKD seit Jahren ein intensiver Gärungsprozess statt. Sachsen hängt zwar wieder etwas hinterher, aber z. B in der EKM wurde gerade eine "Arbeitshilfe zur gottesdienstlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare" an Haupt- und Ehrenamtliche verteilt.

Deshalb mein Vorschlag: Wir nehmen den nächsten, unausweichlichen Gesprächsprozess hier vorweg. Ich liefere Ihnen meine Argumente gegen den Homo-Trausegen und Sie zerlegen die. So können wir der sächsischen Landeskirche endlose Diskussionen ersparen bzw. deren Dauer auf einige wenige Tage reduzieren. Das Ergebnis steht ja ohnehin - auch dieses Mal - von vornherein fest: A hat in der Sache Recht und was B will, wird gemacht.

Es werden wohl sechs Argumente werden. Aus theologischer Perspektive entwickelt sich die Argumentation von "außen nach innen"; sprich: zunächst kommen einige eher allgemeine Argumente während die im engeren Sinne theologischen Begründungen am Schluss stehen.

In der Hoffnung, dass Sie einverstanden sind, fange ich sofort an.
A.Rau

A.Rau schreibt:

10. Juni 2015, 20:55

Homo-Trausegen?

GEGEN-ARGUMENT 1: Gott hat eine "polare" Welt erschaffen. Der elektrische Strom, die Daten im Computer ... beruhen auf der Spannung zwischen Plus- und Minuspol. Auch der christliche Glaube bezieht seine Kraft aus der Spannung zwischen Gnade und Gericht, zwischen Errettung und Verdammnis. Das gilt auch für unsere Gesellschaft. Sie lebt aus der Spannung zwischen Rechten und Pflichten, zwischen fördern und fordern ... Und das gilt auch für Liebe und Sexualität. Die gründen auf der Spannung zwischen Mann und Frau.
Der Gag dabei: Je größer die Spannung umso größer die Kraft, die Dynamik, der Nutzen, der Reichtum - aber umso größer auch die Risiken. Und Gottes Spannungen in seiner Schöpfung sind so gewaltig, dass wir sie niemals vollständig beherrschen können. Das beweist uns der Kosmos, das beweist uns die Natur, das beweist uns die menschliche Seele, das beweist uns die Geschichte der Menschheit, das beweist uns die Bibel, das beweist uns die Geschichte von Theologie und Kirche
Das beweisen uns auch die Beziehungen zwischen Mann und Frau. Auch da kommt es regelmäßig zu Kurzschlüssen und Pleiten und Katastrophen. Auch diese Spannung können wir nicht wirklich beherrschen. Und dennoch entwickelt sie eine gewaltige Kraft, die das menschliche Leben nicht nur bunt und reich und schön macht, sondern es buchstäblich erhält, d. h. fortpflanzt. Und nicht zuletzt: aus dieser Spannung erwachsen auch Ehe und Familie, die das Fundament unserer Gesellschaft sind. Ohne die Familien käme alles ins Wanken.

In der westlichen Wohlstandswelt greift nun aber ein "nicht-polares" Denken um sich. Hier hat ein "Alles-Gleich-Geist" die Herrschaft übernommen. Dazu gehört eine Theologie, die nur noch Segen kennt und nur Gnade und nur Himmel. In Politik und Gesellschaft sind Pflicht und Fordern verpönt. Alle Religionen seien letztlich gleich. Mann und Frau seien gleich, wie auch alle Formen von Liebe und Sexualität.
Nur leider, wenn die Spannung abgeschaltet wird, geht die Kraft verloren und der Reichtum und die Schönheit. Der "Alles-Gleich-Geist" marschiert zwar unter der Fahne des Regenbogens und beruft sich auf Buntheit und Vielfalt, aber dennoch schafft gerade er eine fade, graue „Alles-Gleich-Brei-Welt“. Die Liebe ist weithin kalt geworden. Scheidungen wohin man blickt; Kinder gelten als Last - sie abzutreiben sei ein "Menschenrecht"; und Sexualität wurde zu einer Industrie, die das Geheimnis zertreten hat und im Grunde nur einsam macht ...

"Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut." Die Forderung nach kirchlichem Segen für "Homo-Ehen" ist nur ein winziges Detail in dem großen Aufstand des Menschen gegen Gottes "Sehr gut". Sie ist ein Detail in dem Versuch, die der Schöpfung innewohnende Spannung bzw. deren Kraft abzuschalten und durch vom Menschen beherrschbare Triebkräfte zu ersetzen.
Deshalb stehe ich FÜR Gottes "polare" Schöpfung und FÜR die ihr innewohnenden Spannungen und die daraus erwachsenden Kraft und Reichtum und Schönheit. Und deshalb stehe ich GEGEN Ihren "Alles-Gleich-Geist" plus allem, was der von unserer Kirche fordert.

A.Rau

Paul schreibt:

11. Juni 2015, 7:13

A.Rau schreibt:
10. Juni 2015, 20:55
Lieber Herr Rau,
nee, so wird das nix. Das müssen wir anders machen. Sie ärgern sich, wenn ich Sie mit säurespritzenden Vätern, prügelorgienfeiernden Eltern, Selbstmordattentätern und ärzteabknallenden Fundamentalisten vergleiche oder zusammenbringe – alle als A-Fraktion. Genauso ärgert es mich, wenn ich für Positionen verantwortlich gemacht werde oder für Dinge, für die ich nicht stehe und die ich nicht will. Außerdem wollte ich keine Vorwürfe, sondern Begründungen.
Ich meine, ich habe nicht das Recht, Menschen, die sich lieben und in verantwortlicher Partnerschaft leben wollen, den Segen Gottes vorzuenthalten, bloß weil in der Bibel Gebote stehen, die wir heute nur als veraltet betrachten können und die gar nicht auf diese Frage reagieren. Sie sehen das anders. Darüber sollten wir uns austauschen – und zwar mit Sachargumenten für die eigene Position und nicht mit Anschuldigungen – sonst hab ich keine Lust dazu.
Auf ein fundamentalistisches "Aber in der Bibel steht doch …" hab ich auch keine Lust. Wenn ich das wollte, könnte ich ja auch mit dem Beobachter oder Bastl sprechen. Ich hätt es gern ein bisschen sinnvoll.
(Bin ich froh, dass es auf Ihrer Seite auch Unterschiede gibt. Wenn ich an A.Rau sagt: 31. Oktober 2012 um 21:08 und folgenden denke (http://a.sonntag-sachsen.de/2012/07/19/erst-horen-dann-reden/comment-pag... ), gehe ich davon aus, dass Sie sich kein Hausweibchen angeschafft haben und halten. Wie jämmerlich muss es um das Selbstwertgefühl eines Menschen bestellt sein, wenn er sich als Herr im Hause wähnen muss – von Gottes Gnaden. Ich glaube, da kotzt sogar der Beobachter innerlich. Ich finde ja nicht vieles an ihm. Und seine Statements zu Frauen sind in der Regel unter allem Eber. Aber dass er seine Frau so degradieren würde, um sich selbst aufzuplustern, glaube ich selbst von ihm nicht.)
Sind Sie bereit, sich auf diese Spielregeln einzulassen? Verzicht auf Beschuldigungen, dafür Argumente?
Dann reagiere ich auf Ihren ersten Text und warte auf den nächsten.
Herzlich
Ihr Paul
P.S. Vielleicht sollten Sie sich bei unserem Gastgeber noch mal vorstellen und sich ihm erklären? Nun schreibt er hier ein so kreatives Wort der Woche und stößt nur auf Banausen und Hooligans.

A.Rau schreibt:

11. Juni 2015, 13:16

Lieber Paul,

wenn ich hier nur schreiben darf, wozu SIE Lust haben, können wir uns jedes weitere Gespräch schenken. Deshalb fürchte ich, müssen Sie sich entscheiden: Sie haben mir eine Frage gestellt, und ich bin bereit, die ausführlich zu beantworten. Wollen Sie diese meine Antworten hören bzw. lesen oder nicht?

A.Rau

Beobachter schreibt:

11. Juni 2015, 22:29

Lieber Andreas, tut mit Leid, aber wenn dieser Typ über mich herzieht, erlaube ich mir, zu reagieren!
Also, geehrter Herr "Paul", wann ich kotze, müssen Sie schon mir überlasen! (Vielleicht, wenn ich mir Ihre Auswürfe antue?) Ich habe bei Leibe kein Hausweibchen und ich dikrimitiere auch nicht dauernd das männliche Geschlecht mit Ihrem GenderI! Im Gegensatz zu manch Anderem und Ihnen schätzen WIR (meine Faru und ich!) die christliche Haustafel/-regel als eine gute und gottgewollte Ordnung und das schon über 401/2 glückliche und gesegnete Jahre!
Sie können sich ja gerne eine Genderin halten!

Gast schreibt:

11. Juni 2015, 23:48

Verehrter Paul, kann es sein, daß Sie den guten Joachim loben wollten und er es nicht mal merkt. Traurig. Traurig. Sollte Ihnen eine Lehre sein. Jawoll.

A.Rau schreibt:

11. Juni 2015, 13:18

Homo-Trausegen?

GEGEN-ARGUMENT 2: Gott hat es gefallen, - warum auch immer - Menschen, Dinge, Orte zu erwählen, damit sie etwas Besonderes sind und einen besonderen Zweck erfüllen für das Ganze, d. h. zum Wohle aller. Gott erwählte sein Volk Israel; er ruft die christliche Gemeinde heraus (Ekklesia); er machte seinen Sohn und sein Buch besonders. Und für Gott sind Familien und deren Kinder etwas ganz besonderes. Deshalb steht z. B. in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Und für Katholiken ist die Ehe zwischen Mann und Frau ein Sakrament, etwas das heilig ist.
Allerdings beruht diese Erwählung nicht auf einer besonderen Bedeutung oder Großartigkeit des Erwählten, im Gegenteil, Gott erwählt, was in sich schwach und unbedeutend ist. "Nicht hat euch der Herr erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist das kleinste unter allen Völkern" heißt es von Israel (5Mo 7,7). Und Paulus betont in 1Ko 1,26 sinngemäß: "Guckt euch doch an, nicht viele Weise, nicht viele Gewaltige, nicht viele Edle sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt ..." Sein Sohn wurde als Kind, d. h. als Inbegriff von Schwachheit, geboren und als Verbrecher gekreuzigt. Er war der Allerverachtetste ... Jeder Narr dünkt sich erhaben über Gottes Wort und mäkelt an ihm herum. Familien und Kinder sind so ziemlich die allerletzten, die Macht und Einfluss in unserer Gesellschaft haben. Und dennoch, sie alle haben eine ungeheure Bedeutung für die ganze Menschheit.

Und vermutlich genau deshalb rennt die Welt und deren "Alles-Gleich-Geist" an gegen das Schwache, das von Gott erwählt ist. Sie wollen nichts dulden, was besonders ist. Die Juden werden bekämpft, seid es sie gibt (Ps 83,5). Die Gemeinde wird seid Stephanus begleitet vom "Hass der Welt". Legionen von Theologen sind eifrigst bestrebt, Gottes Sohn und sein Buch zu entwerten. "Die Bibel ist nicht Gottes Wort", tönt es von überall. Derzeit startet ein unfassbar brutaler Angriff auf die wehrlosen Seelen der Kinder (Stichwort: "Sexualkundeunterricht"). Und die Familien stehen unter schwerem Gender-Beschuss.
Nun wird allerdings kaum jemand sagen, die Familie ist schlecht und muss abgeschafft bzw. zumindest entwertet werden. Aber der "Alles-Gleich-Geist" schreit "Diskriminierung", weint dicke Krokodilstränen und fordert Gleichbehandlung: "Alle anderen müssen auch besonders sein – und ganz besonders die Homo-Ehe muss etwas Besonderes sein!" Doch wenn alles besonders ist, ist halt nichts mehr besonders. So wird Gottes Ordnung zerstört (und die Verfassung außer Kraft gesetzt.)
Deshalb stehe ich FÜR das Schwache, das Gott erwählt und besonders macht - zum Wohle aller. Und ich stehe GEGEN den Geist, der dieses Besondere entwerten will - zum Schaden aller.

A.Rau

Paul schreibt:

11. Juni 2015, 14:21

A.Rau schreibt:
11. Juni 2015, 13:16
Lieber Herr Rau,
Sie dürfen natürlich antworten, wie Sie wollen. Die Frage ist dann nur, wie ich antworte. Sie wissen ja: Ursache-Wirkung und solche Sachen. Wollen Sie das? Oder anders: Soll ich?
(Und denken Sie immer daran: Alles oder Nichts!)
Herzlich
Ihr Paul

A.Rau schreibt:

11. Juni 2015, 14:34

Selbstverständlich will ich. Sonst würde ich hier nicht schreiben.

Seiten

Quelle
DER SONNTAG, Nr. 24 | 14.6.2015

Tags
Tobias Petzoldt, Wochenspruch

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