Friedenslogik statt Kriegslogik
Für Auswege aus kriegerischen Konflikten ist die Unterbrechung der Gewaltlogik nötig – und Stärkung gewaltfreier LösungswegeRussland ist für den Überfall auf die Ukraine und die brutale Form der Kriegführung verantwortlich. Aber sehr viele andere Akteure sind verantwortlich dafür, einen Ausweg zu suchen. Dieser kann und wird nicht perfekt sein. Aber er muss besser sein als die Aussicht, dass das Leben in der Ukraine weiter zerstört wird, die Repression in Russland zunimmt, der Krieg sich ausweitet und die Ressourcen in die Kriegswirtschaft gelenkt werden. Diese Ressourcen werden gebraucht, um die globalen sozialen und ökologischen Probleme zu lösen.
Einer solchen Verantwortung stellen sich alle diejenigen, die jetzt über die Möglichkeiten beraten, wie und was sie zu einer Friedensentwicklung beitragen können. Die Ratlosigkeit ist überall groß. Die Bedingungen für eine Friedensentwicklung verschlechtern sich mit jedem Kriegstag. Der Krieg nistet sich ein. Er bestimmt schon jetzt das Leben in der Ukraine und auch in Russland. Er erfasst auch Europa und seine Beziehungen zum globalen Süden. Wie kann es gelingen, Friedensbereitschaft trotz anhaltender Zerstörungen neu hervorzurufen?
Alle Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass auch der Krieg gegen die Ukraine irgendwann auf dem Verhandlungsweg beendet werden wird. Nur internationale Diplomatie kann das leisten. Sie wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn ein politisches Umfeld entsteht, das sie dabei unterstützt, einen Waffenstillstand sowie die Transformation der ursächlichen Konfliktkonstellation mit geeigneten Mitteln anzustreben. Ein solches politisches Umfeld fehlt jetzt. Es kann entstehen, wenn vielfältige Initiativen mit den je eigenen Zugängen den Diskurs über das Kriegsgeschehen so verändern, dass friedenspolitische Überlegungen in den Vordergrund rücken, die mit den globalen Verpflichtungen zur Abrüstung, zur friedlichen Streitbeilegung sowie zur Umsetzung der Agenda 2030 vereinbar sind.
Ganz aussichtlos ist das nicht. Regierungen und Parlament und friedens- politische Organisationen finden eine solide Orientierungsgrundlage in den Resolutionen, die von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurden. An deren Zustandekommen hat auch Deutschland mitgewirkt, und es hat ihnen zugestimmt. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wird eindeutig verurteilt und die Forderung, dass Russland sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen hat, ist klar formuliert. Die Resolutionen setzen zugleich auf die in der UN-Charta vorgesehenen Mittel der friedlichen Streitbeilegung, insbesondere auf sofortige Verhandlungen und Vermittlungen. Diese sind nicht an Vorbedingungen geknüpft. Für Zwangsmaßnahmen, zu denen sich der Westen selbst ermächtigt hat, gibt es aus guten Gründen keine internationale Zustimmung.
Zwar hört man aus dem globalen Süden jetzt häufiger den Satz: »Das ist nicht unserer Krieg«. Dennoch ist es notwendig, dass sich im globalen Süden ein Interesse an seiner Beendigung artikulieren kann. Dieses richtet sich weder gegen Russland, noch gegen China, noch gegen die USA. Es richtet sich gegen die Folgen, die dieser Krieg für die globale Entwicklung hat und gegen den Versuch, den Süden in eine Strategie zu verwickeln, die nicht für erfolgsträchtig gehalten wird. Der Unmut im globalen Süden über das Agieren westlicher Akteure ist groß. Auch sie können kein Interesse an der Ausweitung der NATO und ihrer Militärpotentiale haben. Man muss nicht alle Kritikpunkte teilen, aber es ist ratsam, diese offenzulegen. Gerade die christlichen Friedensorganisationen haben viele Partnerorganisationen im globalen Süden, die sie jetzt darum bitten können, in einem gemeinsamen Prozess nach Möglichkeiten zu suchen, wie Scheinheiligkeit, Arroganz und Dominanzstreben im Interesse einer Friedensentwicklung überwunden werden können. Die größte Herausforderung für internationale Diplomatie besteht vielleicht darin, den Blick auf eine humane Perspektive zu lenken, die den Konfliktparteien die Möglichkeit bietet, die eigenen Leuten davon zu überzeugen, dass Verhandlungen in ihrem Interesse liegen, weil aus einem Feind ein Gegner und aus einem Gegner ein Partner werden kann.
Zivilgesellschaftliche Bewegungen können viel dazu beitragen, dass eine solche humane Perspektive entsteht und sich ausbreitet. Sie können erstens auf die zerstörerischen sozialen, ökologischen und humanitären Folgen für die kommenden Generationen und das Leben auf diesem Planeten hinweisen, wenn keine diplomatischen Lösungen gefunden werden. Sie können zweitens das Vertrauen in die Kraft gewaltfreier und dialogischer Kommunikation stärken, auch unter Gegnern Friedensimpulse auszulösen. Drittens können sie Kontakte mit und zwischen Menschen in der Ukraine und Russland und auch bei uns in der Diaspora aufrechterhalten und auf diese Weise erfahren, was verfeindete Menschen jetzt tatsächlich brauchen, um sich für Friedensperspektiven zu öffnen. Alles was erfahrbar macht, wie gewaltfreies Handeln wirkt, stärkt die Menschenwürde und den humanen Blick. Er ist auch in internationalen Verhandlungen grundlegend, um die Logik des Krieges zu unterbrechen und durch friedenslogisches Handeln zu verdrängen.
Mehr zum Thema im Buch der Autorin: »Friedenslogik verstehen. Frieden hat man nicht, Frieden muss man machen« (2023).
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