Revolutionär von Jesus bewegt
Der Anführer der 68er-Revolution Rudi Dutschke wurde vor 50 Jahren schwer verletzt – der christliche Glaube war ihm sehr wichtig
Rudi Dutschke war eine Ikone der Studentenbewegung 1968. Vor 50 Jahren, am 11. April 1968, schoss der junge Hilfsarbeiter Josef Bachmann in Berlin auf Dutschke und verletzte ihn schwer. Dutschke gilt als Revolutionär und Radikalsozialist. Aber er war auch ein zutiefst gläubiger Christ.
Der charismatische Studentenführer, Aktivist der außerparlamentarischen Opposition und das Feindbild der Springer-Presse offenbart sich in seinen Tagebüchern als liebevoller Familienmensch – und als Christ. Gott und Jesus spielten eine Rolle in seinem Denkgebäude. Ostern 1963 notierte er in seinem Tagebuch: »Jesus ist auferstanden, Freude und Dankbarkeit sind die Begleiter dieses Tages; die Revolution, die entscheidende Revolution der Weltgeschichte ist geschehen, die Revolution der Welt durch die alles überwindende Liebe. Nähmen die Menschen voll die offenbarte Liebe im Für-sich-Sein an, die Wirklichkeit des Jetzt, die Logik des Wahnsinns könnte nicht mehr weiterbestehen.«
Dutschke mischt sein traditionelles Jesusbild mit revolutionären Idealen und vermerkt: »Christus zeigt allen Menschen einen Weg zum Selbst – diese Gewinnung der inneren Freiheit ist für mich allerdings nicht zu trennen von der Gewinnung eines Höchstmaßes an äußerer Freiheit; die gleichermaßen und noch mehr erkämpft sein will. Den Anspruch Jesu, mein Reich ist nicht von dieser Welt, kann ich nur immanent verstehen; natürlich, die Welt, in der Jesus wirkte und arbeitete, war noch nicht die ›neue Wirklichkeit‹; diese galt und gilt es noch zu schaffen – hier und jetzt.« Der Glaube lag in der Familie, Dutschkes Frau Gretchen promovierte beim Berliner Theologieprofessor Helmut Gollwitzer. Mit ihm und seiner Frau Brigitte verband die Dutschkes eine enge Freundschaft. Gollwitzer war es auch, der Rudi Dutschke beerdigte, als er 1979 an den Spätfolgen seiner Kopfverletzung starb. Sie hätten sich als »gläubige Christen« kennen gelernt, schreibt Gretchen Dutschke im Nachwort der Tagebücher. »Der Glaube hat uns damals wohl am meisten verbunden.« Rudi und Gretchen lasen zusammen die Schriften des evangelischen Theologen Paul Tillich, der für einen religiösen Sozialismus eintrat. »Rudi hielt das für richtig«, erinnert sich seine Frau. »Christus stand für Befreiung, Christentum musste eine Befreiungsreligion sein, sonst war es bedeutungslos.«
»Linke Zyniker fanden, dass Rudi kindlich gläubig war, weil er nicht war wie sie, sondern die transzendierende Hoffnung aufrechterhielt«, schreibt Gretchen Dutschke. Und sie gesteht: »Dies war auch ein Grund, weshalb ich mich in ihn verliebte. Vielleicht klingt das verrückt. Aber es war so. Ich liebte diesen ›naiven Christen‹«.Gretchen Dutschke ging nach dem Tod ihres Mannes 1979 nach Amerika zurück, lebt aber seit 2010 wieder in Deutschland.
Rudi Dutschke: »Jeder hat sein Leben ganz zu leben«. Die Tagebücher 1963 bis 1979. Hrsg. von G. Dutschke. Kiepenheuer & Witsch, 432 S., 29,90 Euro.
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