Traumberuf in Gefahr
Fachkräftemangel: Nicht nur in der Gemeindepädagogik fehlt Personal. Bessere Arbeitsbedingungen könnten Abhilfe bringen. Eine Diakonin wirbt dafür und sorgt sich zugleich um den Nachwuchs.Wenn Friederike Knittel von ihrer Arbeit erzählt, dann kommt sie ins Schwärmen. Sie redet von einem »Traumberuf«, von »großer Freiheit«. Sie erzählt von »leuchtenden Kinderaugen«, von Freude beim gemeinsamen Singen, Spielen und Erzählen von Jesusgeschichten. Sie spricht über Religionsunterricht, Rüstzeiten und »ein gutes Mitarbeiterteam« im Kirchspiel in der Lößnitz in und um Moritzburg und Radebeul. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie ist gerade wieder Normalität in ihren Alltag als Gemeindepädagogin eingekehrt: Kinder und Jugendliche treffen sich wieder regelmäßig, erleben Gemeinschaft – ohne Masken, und dürfen wieder singen. »Die Kinder haben das ersehnt«, sagt die 50-Jährige und meint damit auch sich selbst.
Die Gemeindepädagogin in Reichenberg hatte es in den vergangenen Monaten und Jahren oft anders erlebt. Wegen der Corona-Einschränkungen hatte sie viel Zeit vor ihrem Computer verbracht, digitale Treffen organisiert, Videos gedreht und bearbeitet – zwangsweise am eigenen Laptop. Im Frühjahr nun hat sie einen Dienstlaptop von der Gemeinde erhalten. Die Landessynode hatte im vergangenen Jahr diese Ausstattung mit Arbeitsmitteln wie Computern und Mobiltelefonen für Kantoren und Gemeindepädagogen beschlossen. Ebenso war entschieden worden, dass der Nachwuchs dieser beiden Berufsgruppen beim Berufseinstieg intensiver begleitet wird, also ein Mentoring erhält, ähnlich den Pfarrerkollegen.
Friederike Knittel begrüßt diese Veränderungen. Schließlich sind sie ein Teil jener Vorschläge, die der Berufsverband Gemeindepädagogik seit neun Jahren macht, um die Arbeitsvoraussetzungen der Kolleginnen und Kollegen zu verbessern. Die Gemeindepädagogin arbeitet selbst im Vorstand des Verbandes mit und kennt deshalb auch die Problemlagen ihrer Berufsgruppe gut.
Sie weiß, dass in den vergangenen Jahren einige Kollegen den Beruf gewechselt haben: Nicht wenige sind in den Schuldienst gegangen, seit der Freistaat den Quereinstieg ins Lehramt vereinfacht und deutlich besser bezahlt hat. Andere arbeiten als Sozialarbeiter oder Erzieher.
Finanzielle Gründe seien dafür das Eine, geregelte Arbeitszeiten das Andere, was Friederike Knittel von ehemaligen Kollegen zu hören bekomme. Auch die fünfjährlichen Stellenkürzungen der Landeskirche – zuletzt im Zusammenhang mit einer großen Strukturreform der Kirchgemeinden – sorgten für Verunsicherung, meint die Diakonin. Sie selbst habe eine Kürzung um 20 auf 80 Prozent hinnehmen müssen.
Sichtbar wird die Gesamtproblematik dann, wenn es um die Besetzung von freien Stellen geht. Im jüngsten Bericht des Landeskirchenamtes heißt es dazu: »Die Vakanz-Situation in der Gemeindepädagogik hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren weiter verschärft.« Rund 40 Vollzeitstellen seien unbesetzt, bei insgesamt etwa 300 Vollzeitstellen. Hinzu kommt der Mangel an Nachwuchs. »Die Besetzung von freien Stellen bleibt grundsätzlich schwierig, weil für diesen Bereich wie für alle Fachbereiche insbesondere auch in den Bildungsbereichen des kirchlichen Lebens Bewerberinnen und Bewerber knapp sind«, führt der Bericht weiter aus. Das bedeutet in der Realität entweder, dass andere Gemeindepädagogen die Arbeit mit übernehmen müssen, oder dass die Arbeit ausfällt, falls sie nicht ehrenamtlich geleistet wird.
Im Landeskirchenamt kennt Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz die Herausforderungen des Fachkräftemangels und attraktiver Arbeitsbedingungen – nicht nur in der Gemeindepädagogik. Der Dezernent für Kinder, Jugend und Bildung spricht von vielen kleinen Schritten, die etwas bewirken können. So sei der Quereinstieg in diesen Beruf durch eine berufsbegleitende Ausbildung in Moritzburg schon vergleichsweise »hoch und gut entwickelt innerhalb der Landeskirche«. Das könne den Personalmangel aber nicht ausgleichen. Die »sehr guten und flexiblen Weiterbildungsangebote« ebenfalls in Moritzburg müssten gestärkt werden, sagt Pilz und verweist auf gestiegene Teilnehmerzahlen in Pandemiezeiten.
»Mit der Arbeit selbst sind die meisten Kolleginnen und Kollegen zufrieden. Mit den Voraussetzungen, um arbeiten zu können, gibt es öfter Unzufriedenheit«, weiß der Dezernent. Ein wesentliches Ziel der Strukturreform der Kirchgemeinden sei es gewesen, »auskömmliche Stellen« zu schaffen, also weg von kleinteiligen hin zu hohen Stellenumfängen und zugleich fachspezifisch im Team arbeitend. »Das ist nunmehr viel besser möglich als vor der Strukturumstellung«, so Burkart Pilz. Zugleich stellt er fest: »Wir erleben einen guten Wandel des Bewusstseins auch in anstellenden Gemeinden. Der Wert von gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen wird immer deutlicher gesehen.«
Nicht zuletzt wirbt die Landeskirche auch auf verschiedenen Berufsmessen und einer eigenen Internetseite für kirchliche Berufe. In einer Masterarbeit von Diakon Tobias Petzoldt 2016 an der TU Dresden zur Arbeitszufriedenheit in Verkündigungsberufen der Landeskirche heißt es unter anderem: »Um als Anbieter auf dem Arbeitsmarkt im Wettbewerb um Fachkräfte auch künftig gut aufgestellt zu sein, benötigt die EVLKS eine aktivere Personalpolitik, die dabei alle drei Berufsgruppen im Verkündigungsdienst gleichermaßen fördert.« Zur Frühjahrstagung der Landessynode wurde das Landeskirchenamt genau mit so einem Konzept zur Personalentwicklung beauftragt: Personalgewinnung, -bindung und -entwicklung für alle Verkündigungsberufe.
Friederike Knittel ist gespannt darauf und will weiterhin für ihren Berufsstand aktiv bleiben, vor allem aber für die Kinder und Jugendlichen ihrer Kirchgemeinde. »Ich genieße die vielfältige Arbeit und möchte sie nicht missen.« Auch das ist Werbung für ihren »Traumberuf«.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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