Urlaub im Pfarrhaus?
Leerstand: Viele Pfarrhäuser in der Oberlausitz sind baufällig, stehen leer. Könnten Sie künftig als Ferienwohnungen dienen? Eine Studie klärt die Machbarkeit.Risse durchziehen das Mauerwerk. An einigen Stellen tritt bereits Feuchtigkeit auf. Repariert sind Dachstuhl und Dach. »Nur die unteren Räume nutzen wir noch: als Gemeinderaum für die Gottesdienste im Winter, als Büro, als Archiv, Aufenthaltsraum, Küche und Toilette. Die obere Etage steht seit 20 Jahren leer. Es ist so schade um das Haus«, meint Annette Langner (55), Mitarbeiterin im Pfarrsprengel Waldhufen-Vierkirchen bei Niesky (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, kurz EKBO). Mindestens 350 000 Euro würde die Sanierung des im 17. Jahrhundert entstandenen Pfarrhauses Nieder Seifersdorf kosten. Ein Konzept liegt vor. Doch es fehlt schlicht am Geld.
Das Haus gehört zu den sechs näher untersuchten Gebäuden der Machbarkeitsstudie »Urlaub in Pfarrhäusern der Oberlausitz«. Diese konnte Anfang Mai an Superintendentin Antje Pech (Kirchenbezirk Löbau-Zittau) und an Superintendent Thomas Koppehl (Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz) übergeben werden.
Das Ingenieur-, Planungs- und Beratungsbüro Basler & Hofmann aus Görlitz erstellte die Studie. Initiatoren waren Dorothe Ehlig, Referentin für Fördermittel in der Landeskirche Sachsens, Baupfleger Bernhard Preiß und Andreas Fünfstück (58), Pfarrer auch von der Kirchengemeinde Nieder Seifersdorf.
Erstmals wurde dafür ein Kooperationsvertrag über Landeskirchen- und Gremiengrenzen hinweg mit vier Partnern geschlossen. 63 000 Euro kostete die Studie. 80 Prozent davon kamen aus dem Programm LEADER, dem europäischen Förder- und Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum. 20 Prozent zahlten die beiden beteiligten Kirchenbezirke. »Zwei Förderregionen – Östliche Oberlausitz und Naturpark Zittauer Gebirge – arbeiteten dabei zusammen. Das Ziel war, eine Handlungsstrategie für die leeren und teilweise schon baufälligen Pfarrhäuser zu erarbeiten«, sagt Barbara Werling, Regionalmanagerin der LEADER-Region Östliche Oberlausitz.
Die Studie untersuchte Bauzustand, Kapazität, Wirtschaftlichkeit, mögliche künftige Nutzung und Synergien. »Eine touristische Nutzung ist grundsätzlich möglich. Die Pfarrhäuser am Leben zu erhalten bedarf fokussierter und massiver Anstrengungen. Damit Kirche vor Ort bleibt. Wir brauchen eine umfassende Immobilienstrategie«, schätzt Hagen Aye vom Büro Basler & Hofmann ein.
Fazit der Studie: Erst eine große Netzwerk-Lösung ergibt Sinn. Betrieben als übergreifende GmbH mit 35 Pfarrhäusern bei mindestens 45-prozentiger Auslastung im Jahr würde sich die touristische Nutzung nach sieben bis zehn Jahren rechnen, so die Studie. Das würde jedoch zuvor einer Investition von mindestens 15 Millionen Euro in diese Pfarrhäuser bedürfen. Sie brauchen eine bauliche und energetische Grundsanierung.
Orientierung für die Studie gab das 2014 praktizierte Projekt »Himmlisch Urlauben. Urlaub in Pfarrhäusern« in der Steiermark in Österreich. Laut dessen Leiter war es zum Ende »finanziell und wirtschaftlich ein Desaster«. Das lag vor allem an der nicht professionellen Betreibung. Die Lausitz soll daraus lernen. Rund 140 Pfarrhäuser gibt es allein in den LEADER-Regionen Östliche Oberlausitz und Naturpark Zittauer Gebirge. Durch immer weniger Mitglieder gibt es auch weniger Pfarrstellen. So werden weniger Pfarrhäuser als Wohnort gebraucht. Droht das Kultur- und Geschichtsgut Pfarrhaus verloren zu gehen?
»Dazu darf es nicht kommen«, meint Andreas Fünfstück, Pfarrer in Arnsdorf bei Niesky. Lebendig und einladend wirkt der Pfarrhof. Er gehört zum Gesamt-Ensemble Kirche, Pfarrhaus, Scheune, Stall, Alte Schule und Friedhof. »Gerade das Pfarrhaus ist ein Ort der Offenheit, Unterkunft, Herberge und Begegnung«, meint der Pfarrer. Zu seinem Pfarrsprengel gehören sechs Pfarrhäuser. »Langfristig brauchen wir nur noch eins«, sagt er. Das Problem leerstehender Pfarrhäuser betreffe dabei nicht nur die Lausitz«, betont Andreas Fünfstück. »Die Rettung, Bewahrung und Nutzung der Pfarrhäuser sollte Teil des Strukturwandels bis 2038 sein. Dafür brauchen wir eine Grundsatz-Entscheidung der beiden Bundesländer und Landeskirchen.«
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