Im Interview mit dem SONNTAG sprach Dresdens Militärdekan Holger Windisch über die Frage, wann militärische Gewalt gerechtfertigt ist.
Pfarrer Holger Windisch ist seit 2010 Militärdekan in Dresden.
Ob der Einsatz militärischer Mittel gerechtfertigt ist, wird seit Joachim Gaucks Forderung nach mehr internationaler Verantwortung Deutschlands heiß diskutiert. Wie können Christen zu dieser Frage stehen? Dresdens Militärdekan Holger Windisch sprach darüber mit dem SONNTAG.
Herr Pfarrer Windisch, macht der Bundespräsident die Lehre vom gerechten Krieg wieder hoffähig?
Windisch: Ich verstehe ihn so, dass er die Übernahme von Verantwortung für die Welt anmahnt, also die Eindämmung von Konflikten und die Schaffung von Lebensmöglichkeiten. Wir haben in der evangelischen Friedensethik dafür den Leitbegriff des »gerechten Friedens«, der näher bestimmt wird durch Recht, Freiheit, kulturelle Vielfalt, rechtsstaatliche Strukturen. Dafür sollte politisch, diplomatisch und mit ziviler Unterstützung viel getan werden. Es kann aber auch sein, dass – trotz all dieser Bemühungen – Schlimmeres nur mit Gewalt zu verhindern ist. Das sollte jedoch das letzte Mittel sein, die ultima ratio.
Das beißt sich aber mit der pazifistischen Position, die noch die Ökumenische Versammlung von 1989 formuliert hat …
Windisch: Als Jugendlicher wollte ich Bausoldat werden. Pazifistische Überzeugungen sind mir also durchaus vertraut. Auch zeugt die biblische Botschaft vom Bemühen um Frieden. Zugleich bin ich aber überzeugt, dass »Schutz-Verantwortung für das Leben« im Einzelfall auch die Anwendung von Gewalt rechtfertigen kann.
Also leben wir heute in einer anderen Situation als 1989?
Windisch: Die Konflikte sind gegenwärtig meist asymmetrisch, also innerstaatlich, durchsetzt von kommerziellen und religiösen Interessen, und gelegentlich von unvorstellbarer Grausamkeit. Die Frage ist, wie man in diesen Zuständen einen Raum des Lebens mit Recht, Sicherheit und Ordnung ermöglichen kann.
Doch zeigt nicht der Afghanistankrieg, dass mit militärischen Mitteln kein Frieden geschaffen werden kann?
Windisch: Im Einzelfall ist es möglich, einen Konflikt mit militärischen Mitteln einzudämmen und Zeit zu »erkaufen«. Friede entsteht aber nicht durch die Gegenwart von Panzern. Da braucht es die Befriedung der ganzen Gesellschaft, eine Rechtsordnung, Vertrauen in staatliche Strukturen, zivilen Aufbau. Ob das in Afghanistan funktioniert, können wir vielleicht in zehn Jahren sehen.
Haben wir aus dem Ersten Weltkrieg gelernt?
Windisch: Die Hauptlehre ist, dass wir den Nationalismus überwunden haben und der Vision eines friedlichen Zusammenlebens der Völker mit dem Projekt Europa nähergekommen sind.
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