Es ist unübersehbar: Bundespräsident Joachim Gauck hat die Marschrichtung gewechselt. Nicht mehr länger will er nur der nette Grüßonkel aus Schloss Bellevue sein. Kräftig einmischen möchte er sich in die politischen Debatten seines Landes. Mit Erfolg. Für seine Forderung nach mehr internationaler Verantwortung Deutschlands bei Konfliktlösungen, auch mit militärischen Mitteln, bekommt er seit Wochen Zustimmung und Gegenwind.
Am 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs fragt sich: Rehabilitiert Gauck das Konzept des gerechten Krieges? Er selbst verneint das und sagt im ZDF-Sommerinterview: »Ich kenne eigentlich keinen gerechten Krieg, nur gerechtfertigte Verteidigungsmaßnahmen.« Ist das Wortklauberei? Kehrt hier nicht die überwunden geglaubte Schönfärbung des Krieges zurück? Oder ist tatsächlich militärische Gewalt ein geeignetes und gebotenes Mittel der Politik?
Diese Fragen sind dringend auch in der Kirche zu diskutieren. Denn in den Fragen einer heutigen Friedensethik wirkt sie desorientiert. Einzelne ostdeutsche Pfarrer kritisieren Gauck heftig und erinnern an den friedensethischen Konsens der Ökumenischen Versammlung von 1989, als militärische Gewalt als Mittel der Politik ausgeschlossen wurde. Dagegen signalisiert Noch-EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider Zustimmung für Gauck. Und der künftige Militärbischof Sigurd Rink warnte sogar vor einem deutschen Sonderweg, auf dem man sich des Militärischen enthalte.
Gauck sei dank ist eine überfällige Debatte auch in der Kirche entstanden. Wie auch immer sich Christen in diesen Fragen positionieren, sie dürfen anders reden als Gauck. Denn der agiert nicht als Pfarrer, sondern als Politiker. Und denen gegenüber hat die Kirche ein Wächteramt.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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