Gottes Brücke zu uns
Einander annehmen ist nicht leicht – in der Familie, im Beruf oder angesichts der neu ankommenden Flüchtlinge. Die neue Jahreslosung hilft dabei: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. (Römer 15, 7).
Liebe Leserinnen und Leser, einen Menschen anzunehmen, ist oft mit Mühe und nicht selten auch mit Konflikten verbunden. Sogar diejenigen, mit denen wir eng verbunden sind, machen es uns oft nicht leicht: das Kind, das in der Pubertät plötzlich heftige Krisen durchlebt, ebenso wie der Ehepartner, dem das gemeinsame Leben fraglich-unbefriedigend geworden ist. Es kann eine zehrende Arbeit sein, eigene Positionen zu überdenken, die des anderen zu achten und gemeinsame Lösungen zu suchen.
Schmerzliche Erfahrungen mit der Verschiedenheit der Menschen sind wohl unausweichlich, sie waren auch dem Apostel Paulus nicht fremd. Ideal darf man sich nicht einmal das Zusammenleben in den ersten christlichen Gemeinden vorstellen, als das Christentum in der Euphorie des Anfangs lebte. Der christliche Glaube war etwas Neues, und die Erwartung des bevorstehenden Kommens des Gottesreichs bestimmte die Frömmigkeit der Gläubigen. Begabungen wurden freigesetzt, die unter anderen Umständen verdeckt geblieben waren – Kräfte, die ein gutes Zusammenleben gelingen lassen. Und doch blieben die ersten Gemeinden in den Anfängen der Christenheit nicht von schweren Konflikten und Auseinandersetzungen verschont.
»Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat«, mahnt darum der Apostel. Es ist interessant zu sehen, wie er hier argumentiert. Er könnte ja daran erinnern, dass sich die bedrängten Gemeinden keine Konflikte leisten können, wenn sie in feindlicher Umgebung bestehen wollen; oder an das Gemeinschaftsgefühl appellieren, das eine kleine Minderheit stärken kann.
Paulus aber verweist auf das Kreuz Christi und was es für die Menschen bedeutet – Gott hat eine Brücke zu ihnen geschlagen. Sein Sohn Jesus Christus ist in den Tod gegangen, um der Menschen und ihrer Schuld willen, wegen ihrer Friedlosigkeit und der Unfähigkeit, den Mitmenschen anzunehmen und als Nächsten zu sehen. In Christus hat Gott in unüberbietbarer Weise seine Geschöpfe geliebt, sie angenommen wie sie sind.
Das ist der Grund für den Glauben der ganzen Christenheit, von dieser Sicht auf das Geschehen in der Zeitenwende leben wir als Christenmenschen. Sie wird uns helfen, andere Menschen zu achten und ist die Grundlage für unser Verständnis des Zusammenlebens – in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, in der Kirchgemeinde und nicht zuletzt auch in der Gesellschaft.
Und doch geht es uns nicht anders als den frühen Gemeinden: Die Fähigkeit einander anzunehmen, wird heute wie damals auf Bewährungsproben gestellt. Schon die unvermeidlichen Konflikte in den Familien fordern die Bereitschaft heraus, sich in den anderen hineinzuversetzen und ihn zu verstehen. Nicht leichter wird es, wenn es um Menschen außerhalb der Familie geht, und zu einer schweren Belastung kann die Begegnung mit Fremdem und Unverständlichem werden.
In der globalisierten Welt haben die Ereignisse aus fernen Regionen Auswirkungen auf unser Alltagsleben. Flüchtlinge aus Syrien sollen in die längst aufgegebene Schule inmitten eines Wohngebietes einziehen: fremde Menschen mit einer fremden Religion, fremder Kleidung, fremden Gewohnheiten.
Ob es gelingt, Ängste vor den Fremden zu überwinden, auf sie zuzugehen, Verständnis für ihre Not und die Fluchtgründe aufzubringen, sie anzuhören? Sind wir bereit, sie aufzunehmen und willkommen zu heißen? Ob es gelingt, soweit es an uns ist, sie anzunehmen? Unseren Glauben leben wir im Vertrauen auf den, der uns angenommen hat: Jesus Christus. Es wird uns helfen, Ängste und Vorbehalte nicht beherrschend werden zu lassen und Brücken zu bauen.
Als es in einer sächsischen Kleinstadt kürzlich zu Konflikten um ein neu errichtetes Asylbewerberheim kam, versuchten Christen zu schlichten. Sie ließen sich leiten von Christus, der den Menschen am Kreuz seine unbedingte Annahme geschenkt hat. Die Vermittlungsversuche unter seinem Zeichen, in seinem Geist waren erfolgreich und es zog wieder Frieden ein in der kleinen Stadt.
Einander anzunehmen ist nicht leicht. Aber im Hören auf Gottes Wort wird es möglich. Die Mahnung des Apostels Paulus wird uns als Jahreslosung begleiten; und es wird ein Jahr sein, in dem unsere Bereitschaft nötig sein wird, andere Menschen anzunehmen. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Jahr 2015.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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