Gemeinschaft der Geheilten
Neue Wege der Kirche: Gegen den Trend der Vereinzelung wachsen neue Formen der Gemeinschaft unter Christen. Die Kirche könnte der Sehnsucht nach Heilung etwas anbieten.
Vor Jahren gab es einen Kinofilm, der einen Sinn der Kirche im Titel trug: »Zusammen ist man weniger allein«. In heutigen Zeiten ist das ein unmodernes Ansinnen. Denn die globalisierte Wirtschaft hat mittlerweile zur Erosion vieler traditioneller Bindungen geführt – Familien, aber auch Dörfern oder Vereinen fällt es immer schwerer zusammenzubleiben. Die Zauberworte der neuen Freiheit heißen Flexibilisierung, Individualisierung und Globalisierung. Doch die Gemeinschaft kann in dieser »Gesellschaft der Ichlinge« (Hans-Peter Dürr) auf der Strecke bleiben.
Das könnte wiederum die Kirche neu auf den Plan rufen. Denn obwohl sie aus der Mode geraten scheint und immer mehr Mitglieder verliert, ist sie als Gemeinschaft in ihren kleinsten Zellen erstaunlich stabil. »Die Hauskreise haben in den letzten Jahren nicht abgenommen, sondern sind auf hohem Niveau stabil geblieben, wenn nicht sogar gewachsen«, sagt Manja Erler, Referentin für Gemeindeaufbau im sächsischen Landeskirchenamt. Es gebe weit über 800 Hauskreise mit mehr als 7000 Teilnehmern in Sachsen, die am häufigsten in Dresden und Chemnitz vorkommen. Erler erklärt sich das so: »Solche kleinen Formen der Gemeinschaft sind heute attraktiv, weil sie Nähe und Austausch ermöglichen und gute Räume für Gebet und Gespräch sind.«
Ähnliche Erfahrungen hat auch Roland Kutsche aus Lichtenstein gemacht. »In den Hauskreisen wird eine intensive Gemeinschaft möglich, kann lebendiges und mündiges Christsein eingeübt werden«, sagt der Pfarrer für Gemeindeaufbau in den Kirchenbezirken Marienberg und Glauchau-Rochlitz. Für ihn liegt hier sowohl der Ursprung als auch die Zukunft der Kirche. Denn alles habe in den Hausgemeinden von Jerusalem begonnen und das Wort Kirche bedeute im Neuen Testament gleichermaßen Hauskirche wie auch die große Kirche. Somit sei die kleinste Zelle der Kirche ganz und gar Kirche.
Gleichwohl gelte es, auch die Gefahren dieser kleinen Gemeinschaftsformen zu sehen. Die größte ist laut Kutsche, dass die Hauskreise zu abgeschlossenen Zirkeln werden. Die Hauptaufgabe der Gemeindeleitung sei es demnach, immer wieder die Hauskreise mit der Großgemeinde zu vernetzen.
Hinter den Hauskreisen steht das Bedürfnis nach echter Nähe und vertrauter Gemeinschaft. Wie könnte die Kirche der Zukunft diesem Bedürfnis über Hauskreise hinaus entsprechen? Für Roland Kutsche liegt die Antwort in der Wiederentdeckung des Heilungsauftrags der Kirche. Er wünscht sich Gottesdienste, in denen eigene Probleme und die Bitte um Lösung und Heilung viel selbstverständlicher vorkommen. Und er wünscht sich die Wiederentdeckung alter Rituale. Insbesondere die Krankensalbung sei ein Schatz der Kirche, dessen Wiederentdeckung lohne. »Es gibt eine Sehnsucht nach Heilung und nach Handlungen der Zuwendung«, sagt Kutsche, für den die Salbung Kranker mit Öl der Ausdruck einer »Liebessprache Gottes für die Kranken« ist.
In diese Richtung denken derzeit einige Theologen, für die eine »therapeutische Kirche« die Kirche der Zukunft ist: Eine Gemeinschaft, in der Formen gefunden und gelebt werden, mit denen Lebenskrisen und Krankheiten bewältigt werden. Denn: »Die Menschen unserer Zeit binden sich nicht mehr an eine Religionsform, weil sie um ihr ewiges Heil bangen, sondern weil sie auf der Suche nach konkreter Hilfe für ihr Leben hier und heute sind«, sagt die Berliner Ärztin Beate Jacob. Dazu gehöre es, in der Gemeinde eine Atmosphäre der Annahme und des Wohlwollens zu pflegen. Und nach Möglichkeiten zu suchen, Heilungen für Körper und Seele zu unterstützen. Denn so werde die heilende Nähe Gottes erfahrbar und bezeugbar.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna