Wenn es rechts ruckt
Debatte: Angesichts des Rechtsrucks in der Gesellschaft beschließt die Landeskirche einen Klärungsprozess zur Unterscheidung von wertkonservativem Christsein und Rechtsextremismus. Worum soll es dabei gehen?Die Kirchenleitung hat in ihrer Sitzung Ende Januar den offiziellen Startschuss für den anstehenden Klärungsprozess zur Unterscheidung von wertkonservativem Christsein und Rechtsextremismus gegeben. Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein, die die Arbeit an diesem Thema mit Expertise begleiten soll. Sie besteht aus dem Dezernenten für theologische Grundsatzfragen Thilo Daniel, dem Theologieprofessor Gerhard Lindemann (TU Dresden) sowie einem noch nicht benannten synodalen Mitglied der Kirchenleitung. Diese Gruppe – auch »Spurgruppe« genannt – soll den anstehenden Klärungsprozess steuern, Texte erarbeiten, Zuarbeiten beauftragen, die Weiterarbeit am Thema koordinieren sowie der Kirchenleitung regelmäßig berichten. »Wir gehen derzeit davon aus, dass die Auseinandersetzung mit der Frage, wo Grenzen zwischen christlich-konservativen und rechtsextremen Positionen verlaufen, eine intensive Befassung und vor allem eine breitere Diskussion über einen längeren Zeitraum benötigt«, erläuterte Oberlandeskirchenrat Thilo Daniel.
In dem Klärungsprozess sollen sowohl landeskirchliche als auch gesellschaftswissenschaftliche Stimmen einbezogen werden, erläuterte Daniel weiter. Doch er betonte: »Es geht nicht um Ausgrenzung von Gemeindegliedern oder rein parteipolitische Abgrenzungen, sondern vielmehr um den dezidierten Schutz eines Meinungsspektrums in unserer Kirche, das eben auch konservative Positionen umfassen darf und muss.« Die Kirchenleitung ermutige weiterhin die Kirchgemeinden, auch vor Ort die Unterscheidung von wertkonservativem Christsein und Rechtsextremismus anzustoßen und durchzuführen – und dafür bei Bedarf landeskirchliche Unterstützung anzufordern. Damit wird ein Beschluss der Landessynode umgesetzt, die auf ihrer letzten Tagung die Initiierung eines solchen Klärungsprozesses zur Unterscheidung von wertkonservativem Christsein und Rechtsextremismus beschlossen hatte. In dem Beschluss heißt es auch: »Dabei mahnen wir einen achtsamen Umgang mit Sprache an, den Verzicht auf Verletzung und Herabwürdigung des Gegenübers, Sorgfalt im Umgang mit allen Medien und den Mut, nötige Auseinandersetzungen zu führen, wo sie dem Ziel des Friedens dienen.«
In der Synoden-Debatte wurden bereits unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema geäußert. Während sich ein Synodaler gegen eine Generalverdächtigung wertkonservativer Christen aussprach und grundsätzlich abstritt, dass wertkonservatives Christsein ein Problem mit Rechtsextremismus habe, betonten andere Synodale, dass dieser Beschluss dem Schutz wertkonservativer Christen diene: dass sie nicht von rechtsextremen Gedanken und Kräften vereinnahmt würden.
Bereits seit einigen Jahren sensibilisieren verschiedene Wissenschaftler und Autoren für eine Unterscheidung zwischen Konservatismus und Neuer Rechter sowie auch für eine Abgrenzung der Kirchen von rechtsextremen Kräften. So befasst sich eine Tagung der Katholischen Akademie Berlin am 18. Februar mit der »identitären Versuchung des Christentums«. Dabei wird der Umstand reflektiert, dass das Christentum und die Kirchen plötzlich auch als Vertreter eines neuen Kulturkampfes zur Verteidigung des christlichen Abendlandes angesehen werden – als Bastion zur Bewahrung eigener kultureller Identität und zur Abwehr allzu liberaler Formen modernen Denkens und Lebens.
Es wird zu diskutieren sein, was konservative Werte sind und wo ein Übertritt in rechtsextremes Gelände geschieht. Etwa wenn scharfe Feindbilder gegen »den Islam« oder »die Gender-Ideologen« entwickelt und gepflegt werden, die auch zu bestimmten Allianzen im politischen Bereich führen können.