Rote Äpfel – zur rechten Zeit
Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Psalm 145, Vers 15Mein Ziel ist 800 Meter vom Bahnhof entfernt. Was, wenn ich den Weg nicht finde? Der Akku ist bei 20 Prozent, Datenvolumen fast aufgebraucht. Finde ich meinen Ort in der neuen Stadt? Ich gehe durch die fremden Straßen. Da, am Rand ihres Gartens, steht eine Frau, Äpfel pflückend unter’m Baum. Der Garten ist nah, ich kann sie rufend erreichen. Ich frage nach dem Weg: »Bin ich hier richtig?« »Nein, die Kirche ist ganz woanders«, sagt die Frau; sie kommt heraus aus ihrem Garten. Ein Gespräch entspinnt sich, sie gestikuliert, erklärt, weist in die richtige Richtung. Es fällt mir nicht leicht zu folgen; Orientierung ist nicht unbedingt meine Stärke. Plötzlich geschieht das Ungewöhnliche: Sie bietet mir an, mich zu fahren, in ihrem Auto. Wer tut das heute noch aus freien Stücken? In ein fremdes Auto einsteigen ist ein »no go«, eine fremde Person in das eigene Auto einsteigen zu lassen auch, oder? Die einzige Bedingung: Ich müsste ihre Israel-Musik ertragen.
Nach einigen Minuten tänzerisch-bewegter Herzensmusik einer Frau, die sich ehrenamtlich für Holocaust-Hinterbliebene einsetzt, komme ich am Treffpunkt Kirche an. Nach dem Aussteigen steckt sie mir ein paar rote Äpfel in die Tasche. Die Äpfel begleiten mich über den Moment des Ankommens hinweg. Vor mir auf dem Tisch liegend werden sie mir zum Symbol: Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. (Psalm 145,15). Gerade am Tag, an dem die Andacht für den SONNTAG fällig ist, ereignet sich diese Geschichte. Bewegt gebe ich sie mit Erlaubnis der eigentlichen Erzählerin weiter. Aller Augen warten auf dich, und du gibst – zur rechten Zeit.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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