Christentum und Vielfalt: Gegenwärtig wird viel über die Rechte bestimmter Gruppen der Gesellschaft gestritten. Was hat die Kirche zum Thema »Identität« zu sagen? Welches Maß sollten das Eigene und die Vielfalt haben?
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Herr Scheller, in »Identität im Zwielicht« markieren Sie immer wieder Momente von Identitätspolitik in der vor allem frühen Kirchengeschichte. Welche Rolle hat Identitätspolitik in der Entwicklung der Christentums gespielt?
Jörg Scheller: Wenig deutete anfänglich darauf hin, dass das Christentum genauer gesagt: die Christenheit, mit Kierkegaard gesprochen zum globalen Machtfaktor werden sollte. Immer wieder ist der christlichen Religion ja das unterstellt worden, was Nietzsche »Sklavenmoral« nannte, also ein Kult der Schwäche dabei waren die frühen Christen eine durchaus aggressive Bewegung. Die Konstantinische Wende lässt sich als machiavellischer Akt kultureller Aneignung deuten: Eine aufstrebende Identitätsgruppe wurde vom römi