Ein nachhaltiges Mosaik
Teil 3 der Leipzig-Serie führt zu Gethsemane. Kirchenvorstand André Zimmermann im Gespräch.
Herr Zimmermann, die Gethsemanekirche wird auch als „billigste Kirche Sachsens“ bezeichnet. Was hat es damit auf sich?
André Zimmermann (lacht): Ein offizieller Titel ist es nicht, eher eine bauhistorische Kuriosität. Die Kirche wurde 1877 in nur elf Monaten errichtet – für gerade einmal 35 000 Reichsmark. Möglich wurde das, weil man sehr bewusst mit Ressourcen umgegangen ist. Man verwendete Vorhandenes: Ziegel aus dem Vorgängerbau, Fundamente, sogar Einrichtungsgegenstände. Auch bei Gestaltung und Größe hielt man Maß. So entstand ein schlichter, funktionaler, aber sehr atmosphärischer Bau.
Die Gethsemanekirche: rau verputzter Bau mit erkerartigem Turmgiebel. Heute sprechen wir viel über Upycling – kann man Gethsemane als Vorbild betrachten?
Absolut. Die Gethsemanekirche war nachhaltig, lange bevor es den Begriff gab. Sie zeigt, dass man mit begrenzten Mitteln, klugen Entscheidungen und einem Blick fürs Wesentliche etwas schaffen kann, das Bestand hat. Gerade im kirchlichen Bauwesen könnten heutige Projekte sich davon inspirieren lassen. Ein Gebäude ohne viel Prunk – und gerade deshalb zukunftsfähig. Nicht aus der Zeit gefallen, sondern erstaunlich zeitgemäß.
Findet sich das Prinzip Bewahrung auch innen?
Nehmen Sie den Taufstein: Die Kuppa stammt aus dem Jahr 1582, gestiftet von der Adelsfamilie Blasbalg, die die Grundherrschaft in Lößnig innehatte. Der Sockel ging verloren, aber wir konnten ihn aus Restmaterial desselben Porphyrtuff-Bruchs nahe Chemnitz ersetzen. Und das Kruzifix über dem Altar ist ein „wanderndes Stück“: Es stammt aus der ehemaligen Markuskirche in Reudnitz, die in den 1970ern abgerissen wurde.
Über dem Triumphbogen überrascht eine farbintensive Wandmalerei. Doch es scheint sich nur um ein Fragment zu handeln ...
Ursprünglich wurde die gesamte Schildwand vom Leipziger Künstler Paul Edlich ausgemalt, doch leider ging die rechte Seite durch Wasserschäden verloren. Um kein asymmetrisches Gesamtbild entstehen zu lassen, haben wir bewusst nur einen Ausschnitt freigelegt – eine Art Sichtfenster über der Kanzel. Es zeigt Christus im Garten Gethsemane, wie er den Kelch empfängt. Der Rest der Malerei liegt gut konserviert unter dem weißen Schutzanstrich – für den Fall, dass man sie eines Tages wieder vollständig sichtbar machen will.
Edlich hat in den 1920er Jahren viele Sakralräume gestaltet. Dennoch ist er heute kaum bekannt.
Gerade weil Malerei aus dem frühen 20. Jahrhundert lange wenig geschätzt wurde, ist vieles davon verloren gegangen. Auch von Edlich wurde vieles einfach überstrichen. Umso wichtiger ist, was hier bewahrt wurde. Vielleicht sagt man in 100 Jahren: Wer Edlich sehen will, muss nach Lößnig in die Gethsemanekirche kommen. Dieses „Sichtfenster“ könnte dann von großer Bedeutung sein – wie ein Mosaikstein vergangener Kunst, den man anderswo nicht mehr findet.
2027 steht das 150. Jubiläum an.
Die Außenhülle soll saniert, der aktuelle Rauputz durch einen historisch korrekten Glattputz ersetzt werden. Auch wird gerade entschieden, die ursprünglichen Schmuckelemente an der Fassade zu rekonstruieren. Ob das bis 2027 gelingt, ist eher unwahrscheinlich – aber wir arbeiten daran. Das Gute ist: Der Baukörper ist so konzipiert, dass man ihn mit geringem Aufwand sanieren kann – das war damals schon klug gedacht. Sie ist eher dörflich in ihren Dimensionen: nicht zu groß, nicht überladen, sondern nahbar – passend zu einer Gemeinde, die zwar mit den Jahren kleiner wird, aber nicht weniger engagiert.
Was macht diese Gemeinde aus?
Die Menschen hier haben ein geradezu inniges Verhältnis zu ihrer Kirche. Sie ist übrigens das ganze Sommerhalbjahr täglich geöffnet.
Die Gethsemanekirche liegt im Leipziger Stadtteil Lößnig an der Raschwitzer Straße 10. Sie gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde im Leipziger Süden. Erreichbar ist das Haus mit der Straßenbahnlinie 10 (Haltestelle Lößnig) sowie den Buslinien 70 und 79. Von Mai bis September ist die Kirche im Rahmen der Aktion „Offene Kirchen“ täglich von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Gottesdienste finden regelmäßig sonntags um 11 Uhr statt. Die aktuelle Ausstellung „Unter Verdacht“ ist noch bis zum 3. Oktober zu sehen.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna