Wo das Gebet wohnt
Gebetshäuser: Während viele Kirchen verschlossen sind, öffnen neue Gebetshäuser ihre Türen zum Gebet rund um die Uhr. Sogar auf dem Land kann das gelingen, wie das Beispiel in Mittelsachsen zeigt.Wenn David Volkmann in Ruhe beten möchte, dann geht er nicht in die Kirche, sondern läuft an ihr vorbei zum ehemaligen Pfarrhaus. Dort wohnt zwar längst kein Pfarrer mehr, aber ein Raum eigens für das Gebet steht fast immer offen. David Volkmann setzt sich dann am liebsten auf das Sofa, entspannt und vertieft sich ins Gespräch mit Gott. Für Lobpreis-Musik setzt er sich auch ans Keyboard. Immer montags 19 Uhr trifft er sich hier mit anderen Christen zum gemeinsamen Gebet, zum Lobpreis für die Region.
Ein fester Ort des Gebets soll es sein und bleiben, das Gebetshaus Mittelsachsen in Pappendorf bei Hainichen. Ausgangspunkt war das christliche Jugendfestival »Bietz« im Ort mit seiner Gebetskette über zehn Tage hinweg. Angeregt unter anderem durch das bekannte Beispiel des Gebetshauses Augsburg gründeten sich auch in Sachsen einige Gebetshäuser und -initiativen, so auch in Pappendorf. David Volkmann hat den Trägerverein 2017 mitgegründet und ist seit 2020 Vorsitzender. Den Gebetsraum im ehemaligen Pfarrhaus hat der Verein bei der Kirchgemeinde gemietet und nach seinen Bedürfnissen eingerichtet: ein kleiner Altar mit Kreuz, Menora, Bibel und Kerze, Stühle, Tisch, Sofa, Beamer und Gesangbücher, Keyboard und Gitarre. Das Gebetshaus versteht sich als »Zentrum der Ermutigung für die oft sehr vereinzelt betenden Menschen des ländlichen Gebietes in Mittelsachsen«. Es gibt Anleitungen zum Beten, Gebetshaustage und Gebetsnächte. Es gehe nicht nur um das »mechanische Beten«, sagt Kai Barthel, nicht nur um Bitte und Dank. »Christus wohnt in mir und diese Beziehung muss ich pflegen«, sagt der frühere Jugendmitarbeiter im Kirchenbezirk Leisnig-Oschatz, der mehrere Jahre das Gebetshaus geistlich mit leitete.
Nicht zuletzt im Gespräch mit Kai Barthel sei David Volkmann bewusst geworden, dass die Zeit für das Gebet bei ihm meist zu kurz gekommen war. Zwar bete er auch im Alltag in ganz verschiedenen Situationen. »Aber zuhause hat man immer Ablenkung, Anrufe oder Familie und Kinder«, sagt der Software-Entwickler. Deshalb sei es gut, einen speziellen Ort für das Gebet zu haben, einen Rückzugsort. Die Kirche im Ort sei meist verschlossen, im Winter auch kalt. Hier dagegen sei man unabhängig, übergemeindlich, ökumenisch und offen für verschiedenste Gebete und Betende.
»Das Gebet ist wertvoll und kostbar«, meint der 32-Jährige David Volkmann. »Es ist für mich Beziehungspflege mit Gott und ich kann über alles mit ihm sprechen. Es ist gut zu spüren, dass ich auch Sorgen abgeben kann.« Die Corona-Lockdowns zum Beispiel seien für ihn »sehr hart« gewesen, denn er lebt allein. Das Gebetshaus musste zeitweise geschlossen werden, gemeinsames Gebet lief online. Kontakt zu anderen war in dieser Zeit für ihn extrem schwer, weil er zudem noch eine Einschränkung hat. Aufgrund eines Gendefektes kann er seit seiner Geburt kaum etwas sehen. Das Heilungsgebet sei ihm deshalb wichtig. Es komme insgesamt viel zu kurz, meint er. »Ich bin schon überzeugt davon, dass Gott auch heute noch heilen kann«, sagt David Volkmann. Zugleich wisse er: »Gott ist kein Wunschautomat.« Er betete im Herbst 2021, dass keine weitere Corona-Welle komme. Doch es kam anders. »Das hat sehr an mir gezehrt«, so David Volkmann, der das Gebet trotz aller Krisen als bestärkend erlebe.
Nun aber sind die Corona-Einschränkungen aufgehoben, es soll wieder aufwärts gehen mit der Gemeinschaft. Gebetshaustage im Juni und Oktober sind geplant. Vor Corona seien dazu rund 35 Leute gekommen, erinnert sich David Volkmann. Daran möchten sie wieder anknüpfen und das Gebet weiter ausbauen.
Mehr Informationen unter www.gebetshaus-mittelsachsen.de
11. Juni, 10–17 Uhr: Gebetshaustag »In dir finde ich Ruhe – Fröhlich glauben in unruhigen Zeiten«, Pappendorf, Mühlstraße 3.
Die Gebetshausbewegung und ihre Beispiele in Sachsen
»Gebetshäuser sind öffentlich zugängliche Orte, an denen über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg möglichst ununterbrochen gebetet wird. Mitarbeiter und Besucher können unterschiedliche konfessionelle Hintergründe haben und müssen keine besondere Ausbildung besitzen.« Diese Definition hat Michael Müller, heute Pfarrer in der Kirchgemeinde Seifhennersdorf und Jugendpfarrer im Kirchenbezirk Löbau-Zittau, in seiner Examensarbeit an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig 2017 verwendet. Er spricht davon, dass es eine gemeinsame Bewegung gibt mit dem Gebet im Zentrum. Der Theologe, der für seine Arbeit die Gebetshäuser in Freiburg, Augsburg und Leipzig untersucht hat, kommt zu dem Schluss: »Insgesamt ist die Gebetshausbewegung positiv zu bewerten. Sie eröffnet Räume zum freien Gebet für jeden und bietet die Möglichkeit einer vertieften Spiritualität. Durch ihre Offenheit können Besucher in Gebetshäusern Gebet ein- und auch ganz privat ausüben. Damit ist dem Anliegen Luthers, ›das man solches wider in die Leute brechte‹, gedient.« Zudem meint der Autor: »In ihrer überkonfessionellen Ausrichtung gibt die Gebetshausbewegung wichtige Impulse für gelebte Ökumene. Evangelische Kirchgemeinden können also einiges von den Gebetshäusern lernen.« In Sachsen sind vor allem die Gebetshäuser Annaberg, Chemnitz, Lobpreishaus Dresden, Jesus-Haus Herrnhut, Leipzig, Mittelsachsen, Plauen und Zwickau zu nennen. Die sächsischen Gebetshäuser und -initiativen kommen seit 2018 jedes Jahr zum Gebetshaustreffen zusammen, diesmal am 8. Oktober. |
Teilnehmer: 42
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.