Kulturlandschaft drohen irreparable Schäden
Freiberufler und Solo-Selbstständige kämpfen mit den finanziellen Folgen der Corona-Krise. Für Alleinstehende oder Familien aus der Kulturbranche kann die Pandemie in die Arbeitslosigkeit führen.Die Bestseller-Autorin Nina George ("Die Schönheit der Nacht") sieht den deutschen und europäischen Buchmarkt vor einer nie gekannten Herausforderung. Als Präsidentin des European Writers Council (EWC) vertritt sie rund 160.000 Kreative, die mit Sprache und Texten arbeiten. "Wenn wir uns den Bereich Kinder- und Jugendliteratur ansehen, machen dort Lesungen einen Großteil des Verdienstes für die Schriftsteller aus." Wenn bis zu drei Monate Veranstaltungen ausfallen, bedeute das Verluste pro Künstler von 6.000 bis 9.000 Euro. Wer jetzt ein neues Buch auf den Markt gebracht habe, sei "quasi unsichtbar".
Karsten Meissner schaut, an welchen Stellen er noch sparen kann. Wegen der Corona-Pandemie sind Messen und Ausstellungen abgesagt worden. Galerien haben geschlossen. Das kommt für den Solo-Selbstständigen einem totalen Verdienstausfall gleich. In doppelter Hinsicht: Denn Meissner ist mit der bildenden Künstlerin Katerina Belkina verheiratet. Sie haben ein gemeinsames Kind. "Wir leben von der Kunst", sagt Meissner. Das Paar hat nicht nur Einnahmeausfälle, sondern auch bereits viel Geld für Material in Vorleistung ausgegeben, um Kunstwerke zu schaffen. "Als Künstler lebt man in riskantem Fahrwasser, aber die Situation jetzt ist wirklich dramatisch", sagt der Brandenburger Grafikdesigner und Kunstmanager.
Mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland sind solo-selbstständig. Zu dieser Gruppe gehören in der Kultur- und Kreativwirtschaft Musiker, Autoren, Filmemacher, Maler, Architekten, Designer, Journalisten. Sie alle trifft die Verbreitung des Coronavirus hart, weil allerorts Veranstaltungen gestrichen werden, mit denen sie üblicherweise ihr Geld verdienen. Während in kleinen, mittleren oder großen Firmen Kurzarbeitergeld entlasten kann, müssen Solo-Selbstständige auf Ersparnisse zurückgreifen, sofern sie überhaupt welche haben.
In seiner Not hat Karsten Meissner bei der Künstlersozialkasse, der Sozialversicherung für freischaffende Künstler und Publizisten, sein Jahreseinkommen auf ein Minimum nach unten angepasst. Dadurch bezahlt er weniger für die Krankenversicherung. Seine Rentenvorsorge hat er erst einmal eingestellt. Er hofft, dass so genug Geld für Wohnen und Essen bleibt. Auch Maschinen müssen weiter abbezahlt, das Atelier gemietet werden. Etwa zwei Monate können sie so durchhalten, sagt Meissner. Er will nicht betteln, Kunst nicht zu Spottpreisen verramschen.
Auch die Solo-Selbstständige Mareen Rüegg aus Cottbus macht sich Sorgen. Ihr Mann ist zwar angestellt und die Familie damit relativ gut abgesichert. "Aber die Studiomiete muss ich weitertragen, ohne dass ich etwas verdiene", sagt die freiberufliche Fotografin. Sie versucht dennoch, das Gute zu sehen: Ihre Bank hat ihr die Kreditraten gestundet. "Das hilft für den Moment", sagte die 40-jährige Existenzgründerin. Damit ihr Betrieb überleben kann, brauche sie jedoch aufgrund der Corona-Pandemie langfristige Unterstützung: reduzierte Miete, geringe Versicherungsbeiträge, ausgesetzte Einkommensteuer-Vorauszahlungen.
Kunstmanager Meissner hofft auf finanzielle Hilfe von der öffentlichen Hand. Er hat dazu im Internet Petitionen unterschrieben. Ein Kredit, auch zinslos, erscheint ihm für Solo-Selbstständige der Kultur- und Kreativwirtschaft wenig sinnvoll. "Wir wissen ja nicht, ob nach dem Abklingen der Gesundheitsgefahr drei Mal so viel Kunst gekauft wird wie vorher." Das müsste aber passieren, damit Kredite später abbezahlt werden können.
"Wenn wir nicht aufpassen, wird unsere Kulturlandschaft irreparabel amputiert", sagte Nina George dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im schlimmsten Fall müssten etliche Kulturschaffende ihre Arbeit aufgeben und sich komplett umorientieren.
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