Lang lang es her, doch ich kann mich gut an das Schülertreffen 1962 in Karl-Marx-Stadt erinnern. Kirchenmusikdirektor Schwinger sang und stellte uns "Danke für diesen guten Morgen" vor und hunderte, meist Jugendliche, sangen begeistert mit. Seitdem begleitete uns dieses Lied bei JG Abenden und Rüstzeiten. Es war der Durchbruch zu neuer junger Musik in den Kirchen.
Jesus mit heiligem Rock
Vor 50 Jahren noch verschrien, ist christliche Popmusik heute nicht mehr wegzudenken – nur außerhalb der Kirche hört sie niemand. Ganz anders als in den USA.Sein Name: Günter Hegele. Spitzname: Schnulzenpfarrer. Sein Verbrechen, wie es in den Illustrierten stand: »Eine Sünde gegen die Musik und gegen die Religion.« Kirchenzeitungen in Deutschland witterten eine »Poesie für religiöse Gartenzwerge« und verachteten die »Negermusik am Altar«. Und alle Vorwürfe gipfelten im Ruf: »Abschaum!« und »Gotteslästerung!«
Was war passiert? Günter Hegele initiierte 1962 ein Preisausschreiben an der Evangelischen Akademie in Tutzingen. Gesucht wurden »neue geistliche Lieder« und 996 Vorschläge wurden eingereicht. Gewinner war der Freiburger Kirchenmusiker Martin Gotthard Schneider mit »Danke für diesen guten Morgen«. Ein Ereignis, das kaum bekannt geworden wäre, hätte Hegele nicht beharrlich bei großen Musikverlagen angeklopft. Die Firma Electrola gewährte ihm schließlich den Veröffentlichungswunsch. Aber nur, um endlich den aufdringlichen Pfarrer loszuwerden, wie sich der Produzent später erinnerte. »Danke für diesen guten Morgen« wurde das bisher einzige »Neue geistliche Lied« in der deutschen Hitparade – mit rund 700 000 verkauften Exemplaren. Die Kritik aber war verheerend. Das Tutzinger Preisausschreiben gilt als Geburtsstunde christlicher Popmusik in Deutschland. Aber schon vorher wurde in Kirchen mit neuen Musikformen experimentiert.
Halle an der Saale, 1956. Die Marktkirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Im Altarraum, sitzen Musiker aus Dortmund und Halle. Die Zuhörer werden eingeführt in die religiöse Welt des Jazz. Zum ersten Mal erklingt diese Musik in einer Kirche. Ein Erdbeben! Sogar die Wochenzeitung »Die Zeit« aus Hamburg berichtete und sprach von einer »Entweihung des sakralen Raums«.
Neuen musikalischen Formen wehte von Anfang an ein eisiger Wind entgegen. Kritiker befürchteten, dass die ernste Botschaft des Evangeliums verwässert wird. Doch die jungen Musiker hielten dagegen. Sie wollten ihren Glauben ausdrücken. Aber nicht mit Bach, Telemann oder Paul Gerhardt. Sondern mit dem, was sie liebten: Mit Beat, Pop und E-Gitarre. Vor allem evangelikale Kreise erkannten bald das Potential der neuen Musik. Was junge Menschen für Jesus begeistere, so die Argumentation, könne unmöglich widergöttlich sein. Pragmatik für die Mission.
Mehr als 50 Jahre nach den ersten Gehversuchen ist das Feld des christlichen Pop kaum noch zu überblicken. Kaum ein Genre, das nicht längst schon von christlichen Musikern übernommen wurde. Techno, Death Metal, Hip Hop, Rock – alles im Namen des Herrn. Doch außerhalb der Kirchenmauern werden die wenigsten Lieder und Musiker wahrgenommen. Es ist und bleibt eine Musik von Christen für Christen. Anders in den USA. Dort hat jede große Plattenfirma eine eigene christliche Sparte und generiert Jahr für Jahr Millionenumsätze. Jenseits des großen Teiches ist christliche Popmusik Musik wie jede andere – mit dem gleichen Marketing und Starkult.
Kritische Entwicklungen gibt es in der christlichen Szene aber auch hierzulande: Vor allem moderne Lobpreismusik, nicht selten aus den USA oder Australien importiert, erzeugt im schlimmsten Fall nur eine wohlige Atmosphäre – wie sie auch jede andere Popmusik erzeugen könnte. Das Evangelium steht hier in der Gefahr, sich in einer angenehmen Stimmung aufzulösen.
Zwischen »Danke für diesen guten Morgen« und aktueller christlicher Popmusik liegen Welten. Nur eines hat sich geändert: Für Reaktionen in der säkularen Welt in Deutschland sorgt diese Musik schon lange nicht mehr. Wie auch, wenn hierzulande kaum ein Nichtchrist sie hört.
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